Eins für den Neffen, eins für den Sohn, eins für die fünf Schwestern: Ramón Valle scheint für so ziemlich jedes Familienmitglied eine eigene Komposition im Repertoire zu haben. Bereits 2016 hat der kubanische Pianist bei einem Konzert im Post-Tower seine Verwandtschaft bedacht, nun hat das Jazzfest Bonn ihn noch einmal in die Bundesstadt locken können. Ein Einsatz, der sich gelohnt hat. In der Harmonie gibt Valle mit seinem Trio von der ersten Sekunde an Vollgas, flitzt über die Tasten und rührt dabei kräftig in jenem Schmelztiegel, aus dem er seine Musik schöpft.
Tatsächlich greift Valle selber das letztgenannte Bild mehrfach auf. Eine Dosis afrikanischer Würze, ein bisschen Strawinsky, dazu Debussy, Miles Davis und natürlich die kubanische Musiktradition sind nur einige der Bestandteile, die er genüsslich vermischt und daraus einen modernen, druckvollen und polyrhythmischen Jazz gewinnt. „Meine Musik grenzt an viele verschiedene Formen“, hat er einst in einem Interview gesagt. Auch an die des Troubadours: „Wie dieser erzähle ich Geschichten, wenn auch ohne Worte.“ Die klassische Ausbildung Valles ist dabei in jedem Ton hörbar, ebenso wie seine ungeheure Spielfreude, mit der der 52-Jährige auch das Publikum ansteckt. Erst lässt er es klatschen, später singen, fordert die Unterstützung geradezu ein, saugt die Menge förmlich ein, wie ein Wirbelwind aus Klängen und Leidenschaft. Diese Dynamik wird durch Drummer Jamie Peet noch potenziert, der mit wahnwitzigem Tempo und komplexen Patterns immer wieder für erstaunte Blicke sorgt. Zwischen den beiden Energiebündeln bildet Bassist Samuel Ruiz einen Ruhepol, souverän und zuverlässig die wilden Melodie- und Rhythmusstränge zusammenhaltend. Eine kongeniale Partnerschaft, in der sich alle drei Künstler perfekt ergänzen und letztlich mehr sind als die Summe der einzelnen Teile.
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