Als Sohn eines weltberühmten Musikers hat man es häufig schwer. Vor allem dann, wenn man auch noch den selben Namen wie der Erzeuger trägt und der selben Leidenschaft frönt. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, sagen dann viele, oder „Ganz wie der Vater“. Im Vorfeld des Auftritts von John Lee Hooker Jr in der Harmonie Bonn wollen manche Blues-Liebhaber solche Aussagen nicht hören. Alles nur Klischees, sagen sie. Möglich. Aber zumindest in diesem Fall nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt. Denn auch wenn der 65-jährige Junior einen weitaus steinigeren und härteren Weg hinter sich hat als der legendäre Senior und einen dazu passenden Musikstil pflegt, ist das Erbe doch unüberhörbar.
Den Blues hat John Lee Hooker Jr schon in frühester Kindheit kennengelernt – das Howling und Growling ebenfalls. Dazu gesellt sich eine ausgeprägte Spiritualität, ein Hang zum Gospel und zum
Halleluja, der sich aus seiner Vergangenheit erklärt. „Ich wurde zweimal angeschossen und einmal in den Rücken gestochen“, gesteht er. „Ich war Drogen- und Alkoholsüchtig. Einmal, als ich
obdachlos war und in der Gosse lag, ging ich auf die Knie und betete zu Gott. Und das hat mich letztlich hierher geführt.“ Nach Deutschland, für den US-Sänger inzwischen eine zweite Heimat. „Ihr
könnt mich Herr Hooker nennen“, sagt er, kokettiert förmlich mit dieser Anrede und fordert zugleich Begeisterung auf amerikanische Art. Also kein „Ja“, sondern ein kräftiges „Yeah“. Natürlich
ohne eingebaute Bekräftigungen fragwürdigen Ursprungs. In diesen Momenten muss der Rock eindeutig vor dem Gospel zurücktreten. Den stimmt „Herr Hooker“ ohnehin mehrmals an, schmettert „Oh when
the Saints“, später noch „Amazing Grace“ zum Andenken an seine Rettung aus dem Sumpf der Sucht.
Mitunter haben diese Erfahrungen auch Auswirkungen auf sein Verhältnis zur Musik seines Vaters. „One Bourbon, One Scotch and One Beer“ wird zu Juniors Rekonvaleszenz-Song, in dem die Alkoholika
am Ende durch Cola, Sprite und Root Beer ersetzt werden. Ohnehin legt John Lee Hooker Jr Wert darauf, seinen eigenen Weg zu gehen. Seine Musik, so sagt er, bestehe aus zwei Teilen R&B, einem
Teil Jazz und einer ordentlichen Dosis „down home blues“. Urbaner und souliger, auch mit einem guten Schuss Funk versehen und vorgetragen mit dem Feuer eines Predigers. Unterstützt wird er dabei
von einer souverän spielenden Band: Drei Musikern aus Berlin und dem gesanglich leider etwas einseitigen Gitarristen Jeffrey James Horan, der zu Beginn der beiden Sets für ein Stück im
Rampenlicht stehen darf und zudem mit Hooker ein paar Akustik-Stücke zum Besten gibt. Letzteres kommt gut an, zumal Hooker das Publikum mühelos im Griff hat. Immer wieder lässt er die Menge
mitsingen, ein Mann darf sogar mal ein herzhaftes „Yeah“ direkt ins Mikrofon pressen. Ein beständiger Kontakt zwischen Saal und Bühne sorgt für exzellente Stimmung – und als schließlich das
unvergleichliche „Boom Boom“ ertönt und damit die finale Verbeugung vor dem großen Papa, der in diesem Jahr den meisten Quellen zufolge seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte (das genaue
Geburtsjahr John Lee Hookers ist nicht bekannt), gibt es ohnehin kein Halten mehr. Das Publikum tobt, Herr Hooker röhrt und allen ist klar, dass er zumindest in diesem Moment tatsächlich ganz wie
sein Vater ist. Und das ist auch gut so.
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