Ein Gypsy-Jazzer mit legendärem Erbe, ein überaus unterhaltsamer Klassik-Virtuose, ein Fingerstyle-Wunderkind und ein Alleskönner: Die Nacht der Gitarren, wie die deutsche Entsprechung der „International Guitar Night“ recht pragmatisch genannt wird, hat in der Harmonie keine Wünsche offengelassen. Das Publikum in dem restlos ausverkauften Saal war von der ersten Sekunde an begeistert, genoss die Kunstfertigkeit, den Klang und auch den Witz der vier Musiker, die mal einzeln und dann wieder in ständig wechselnden Kombinationen auf der Bühne über die Saiten jagten und sich in jedem Stil wohlzufühlen schienen. Ein starker Abend mit Ausnahmekünstlern, der Lust auf mehr macht.
Lulo Reinhardt, Großneffe von Django Reinhardt, brillanter Wanderer in allen Kulturen und Organisator der Gitarren-Nacht, hatte drei Kollegen eingeladen, die sich perfekt ergänzten und beständig ihre eigenen Spielweisen zu erweitern versuchten. So kommt der Pole Marek Pasieczny, dessen trockene Ironie so manche Moderation veredelte, zwar technisch gesehen aus der Klassik (inklusive des einst geäußerten Wunsches nach ein paar Übungsstunden vor dem ersten Auftritt, sehr zur Irritation der anderen), erwies sich in der Harmonie aber mit seiner Experimentierfreudigkeit in Rhythmik und Melodik letztlich als der modernste Gitarrist des Konzerts. Zusammen mit dem Gitarren-Professor Michael Chapdelaine griff er sogar ein afrikanisches Wiegenlied auf. Letzterer blieb zwar vor allem zu Beginn ein wenig hinter den Erwartungen zurück, erwies sich aber als kongenialer Partner in allen möglichen Besetzungen. Brauchte man auch, bei so viel Solo-Qualitäten. Vor allem der 26-Jährige Colum Graham, seines Zeichens kanadischer Fingerstyle-Champion und der „junge Wilde“ der Tour, setzte Maßstäbe, auch wenn er es mitunter mit den Effekten übertrieb. Dabei hatte er die gar nicht nötig und zeigte sich am stärksten, wenn er auf sie verzichtete. So etwa bei dem herrlichen Duett mit Reinhardt, der ein Stück keltischer Piratenmusik geschrieben hatte, das sich im Zweiklang der beiden Turbo-Gitarristen entfaltete; oder bei Astor Piazollas „Libertango“, den alle vier Saitenzauberer gemeinsam anstimmten und damit Erinnerungen an eine ganz besondere Nacht in San Francisco weckten. Ein besseres Statement hätten sie kaum geben können. Der perfekte Grundstein für eine Rückkehr im kommenden Jahr.
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