Tradition und Moderne in Einklang zu bringen, ist immer eine Herausforderung. In der Musik gilt dies sowohl für die Künstler als auch für das Publikum, wie der Auftakt zum Festival der Musikkulturen am vergangenen Dienstag nachdrücklich bewies. Die vom Kulturamt der Stadt Bonn initiierte und organisierte dreiteilige Konzertreihe präsentiert Ensembles aus fünf Partnerstädten und aus Berlin (vor Ort ist man wohl offenbar nicht fündig geworden), die ihre jeweiligen Volksmusiken neu interpretieren. Kann wunderschön sein – aber auch extrem anstrengend. In der nahezu ausverkauften Brotfabrik traf nun das Trio Rosenrot auf das Ensamble de Cámara de la Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos (ECOEIN) aus La Paz und verdeutlichte, dass dieser Zweiklang offenbar überall auf der Welt identisch ist.
Dabei schien es zunächst ein ganz entspannter Abend zu werden. Nach einem spontanen Auftritt der Fiji Police Force Band, die anlässlich der Weltklimakonferenz COP 23 ein paar gesungene und
getanzte „Bula“-Grüße an das Publikum richtete, versuchte das Trio Rosenrot, „die deutschen Volkslieder zu entstauben und ins Hier und Jetzt zu holen“, wie Sängerin Dana Hoffmann erklärte. So
entstanden wirklich zauberhafte Arrangements von „ein klein wild Vögelein“, „Sah ein Knab ein Röslein steh'n“ oder „Die Gedanken sind frei“, in denen Hoffmanns exzellenter Gesang von Gitarren-
und Schlagzeug-Variationen umschlungen wurden. Klasse, so lange die Instrumentalisten Hub Hildenbrand und Denis Stilke fokussiert blieben. Was leider nicht immer der Fall war. Immer wieder
verloren sich die beiden in Soli, die nicht mehr dem Lied dienten, sondern sich dieses unterwarfen und nach und nach dekonstruierten. So litten sowohl „Das Loreleylied“ als auch „Kein schöner
Land“ unter improvisatorischer Maßlosigkeit, obwohl gerade diese Stücke eine gewisse Struktur fordern. Dies irritierte auch einige Besucher, obwohl im Großen und Ganzen das Lob überwog.
Weitaus schwerer hatten es da die Bolivianer von ECOEIN. Fremdes Liedgut in modernem – sehr modernem – Gewand war für viele Gäste schlichtweg zu viel. Schon die traditionellen Stücke, die das
fünfköpfige Ensemble an den Anfang ihres Konzerts gestellt hatten, waren durch gelle Flötentöne und eine gewisse melodische Monotonie nicht gerade einfach verdaulich. Doch die zeitgenössischen
Kompositionen aus Uruguay, Ecuador und Bolivien, die zum großen Teil einem fiependen Minimalismus frönten, waren bei allem Verständnis für die Sehnsucht nach neuen Strukturen in der Musik einem
Teil des Publikums zu viel. Immer mehr Menschen verließen den Saal, flüchteten vor den Disharmonien und den Klangexperimenten, die das Quintett mit Panflöten, Trommeln und anderen urtümlichen
Instrumenten seiner Heimat erweckte. „Das ist mir dann doch zu viel Moderne“, sagte eine Besucherin im Vorbeigehen. Verständlich. Die verbliebenen Besucher applaudierten dafür umso kräftiger.
Immerhin sollte der Auftritt von ECOEIN aber der extremste des gesamten Festivals sein. An den beiden anderen Tagen standen nur noch mongolischer Kehlkopfgesang, afrikanische Rhythmen,
weißrussisches Balalaika-Spiel und usbekische Shashmaqam-Musik auf dem Programm. Das war dann vergleichsweise leichte und dabei überaus spannende Kost.
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