Manche Namen klingen einfach albern. Jack etwa. Oder Algernon. Namen ohne Aussage und Wirkung, die das Herz einer Frau folglich nicht erbeben lassen können. Nein, ein Gentleman von Welt muss schlichtweg Ernest heißen – und natürlich „earnest“ (englisch für „aufrichtig“) sein. Dann klappt es auch mit der Damenwelt. Oder zumindest mit Gwendolen Fairfax und Cecily Cardew. Diese beiden bezaubernden Geschöpfe, die in Oscar Wildes köstlicher Komödie „The Importance of Being Earnest“ zwei Herren der feinen viktorianischen Gesellschaft mühelos die Köpfe verdrehen, haben unabhängig voneinander und im Schweiße ihrer beachtlichen geistigen Fähigkeiten beschlossen, sich nur in jemanden zu verlieben, der den ersehnten Namen trägt.
Wie gut, dass sie ihre Traumprinzen schon gefunden zu haben glauben. Wenn es da nicht ein kleines Problem mit der Ehrlichkeit, einem fiktiven Bruder, einer einst in einem Bahnhof vergessenen
Tasche und einer gluckenhaften Tante gäbe. Klingt absurd, ist es auch. Und doch funktioniert der unvergleichliche Wortwitz Wildes selbst mehr als 120 Jahre nach der Uraufführung, wie jetzt die
Premiere des Stückes im Euro Theater Central beweist.
Mit „The Importance of Being Earnest“ erfüllt sich das Haus am Mauspfad einen lang gehegten Traum: Erstmals in der Geschichte von Bonns wichtigstem Zimmertheater bringt es eine englischsprachige
Eigenproduktion auf die Bühne, statt in diesem Bereich auf Gastspiele zu setzen. Eine gute Entscheidung, auch wenn die Probenzeit mit nur rund fünf Wochen äußerst knapp bemessen war. Umso
bemerkenswerter ist, was das exzellente Ensemble um Regisseurin Marianne de Pury unter diesem Druck auf die Beine gestellt hat: Vor allem Lili Koehler, die im ersten Akt den stoischen Butler Lane
mimt und später als unschuldig-verrückte Cecily ihren „Earnest“ mit einer Verlobung in absentia verstört, verzaubert in ihrem Theater-Debüt das Publikum mühelos. Ihre Wandlungsfähigkeit wird
allerdings noch von der Claudia Dalchows übertroffen, die mit nur zwei Accessoires und einem brillanten Wechsel der Stimmfarbe sowohl Gwendolen als auch Cecilys Gouvernante Miss Prism spielt und
in beiden Rollen zu glänzen weiß. Doch erst die Kombination macht's: Herrlich das verbale Duell zwischen Gwendolen und Cecily, stark auch die ebenso irrsinnigen wie kecken Anbandelungen mit
Algernon und Jack, die sich beide – aus unterschiedlichen Gründen – als Earnest ausgeben und von den extravaganten Vorstellungen der Frauen schlichtweg überfordert sind. Den beiden Lebemännern,
die bei aller Lust an der Lüge doch in den entscheidenden Momenten aufrichtiger sind, als sie selbst zunächst wissen, verleihen Quatis Tarkington und Ryan Wichert im Verlauf des Stücks immer mehr
Kontur, zumal ersterer mit seiner Nonchalance einen wunderbaren Gegenpart zu den explosiven Momenten des letzteren bildet. Zwischen den Duos gibt schließlich noch Tony Dunham die Lady Brackwell
(das Crossdressing fällt nach den ersten Minuten kaum noch auf), die Ansehen über alles andere stellt und der daher die Beziehung zwischen ihrer Tochter Gwendolen und dem Findelkind Jack ein Dorn
im Auge ist.
Abgesehen von einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen Besetzung bietet Marianne de Purys „The Importance of Being Earnest“ genau das, was man seit jeher vom Euro Theater gewohnt ist:
Klassisches, formstrenges Theater ohne große Bühnenaufbauten und dafür einem enormen Vertrauen zum Text. Wildes gnadenlos komische Farce, die gestelzte Manierismen und eine versnobbte
Ernsthaftigkeit geschickt karikiert, ist dafür wie geschaffen. Zwar muss sich das Publikum sehr konzentrieren, um jede Nuance der sehr schnell gesprochenen und mit Anspielungen und
Wortspielereien überladenen Dialoge zu verstehen, doch es lohnt sich, zumal zugleich die knapp zwei Stunden wie im Flug vergehen.
Kommentar schreiben