Mathias Bommes macht alles kaputt. Mal wieder. Dabei will der unschuldige Chaot, der Gutes will und stets den Schrecken schafft, doch nur seinem großen Idol Andy Roth nah sein, diesem Schlagersänger mit der Rock-Attitüde, dessen großer Hit „Ketten der Liebe“ für Bommes und den von ihm geleiteten Hardcore-Fanclub wichtiger ist als „Atemlos“ für all die modernen Fischer-Chöre. Immerhin ist das die Musik zum Pulsschlag ihrer Leben. Also versucht die liebenswert-debile Nervensäge, seinem Star all dies zurückzugeben. Ob der will oder nicht. Was dazu führt, dass die Managerin und heimliche Geliebte angesichts einer unfreiwillig offenbarten Affäre Roths mit einer Minderjährigen das Handtuch schmeißt, dieser sich plötzlich mit Handschellen an die junge Jessy gefesselt sieht, sich sowohl deren eifersüchtigen Freundes als auch einer neugierigen Reporterin erwehren muss – und so ganz nebenbei auch noch Bommes am Hals hat.
Hinter Bommes steckt niemand anderes als Tom Gerhardt, der schon immer ein Händchen für derartige Verlierertypen hatte und sich vor drei Jahren mit „Dinner für Spinner“ erstmals auf eine
Theaterbühne wagte. Nun hat das Contra-Kreis-Theater ihn erneut ins Haus geholt und den von Gerhardt und Franz Krause geschriebenen und von René Heinersdorff inszenierten Klamauk präsentiert. Und
auch wenn die inhaltliche Ausgestaltung nur marginal über dem Niveau der Amigos changiert, mit allen nur verfügbaren Klischees spielt und so ziemlich jede vorhersehbare Wendung aus dem
Soap-Baukasten aufgreift, sorgt das Stück doch immer wieder für herzliche Lacher. Dafür ist in erster Linie Gerhardt selbst verantwortlich, der sich derart überzeugend zum Affen beziehungsweise
zur Taube macht, dass es eine Lust ist. Voller Leidenschaft stapft er durch den Porzellanladen von echten und geheuchelten Gefühlen, agiert als mitfühlender, wohlwollender und unbeholfener Kasper
und scheut sich dabei nicht, auch mal aus seinen früheren Filmen zu zitieren. Sein anarchischer Mopedrocker Tommie bricht sich nur kurz Bahn, während Hausmeister Krause tatsächlich einen
waschechten Gastauftritt hat, sehr zur Freude des Publikums.
Während Gerhardt also seiner Figur eine gewisse Glaubwürdigkeit zu verleihen versteht, verharrt fast der gesamte Rest des Ensembles leider in der Künstlichkeit. Dustin Semmelrogge, der inzwischen
ohne weiteres als Doppelgänger seines berühmt-berüchtigten Vaters auftreten könnte, spielt Andy Roth fast schon krampfhaft exaltiert und schafft es trotz aller Bemühungen nur selten, die immense
Fallhöhe seiner tragischen Hauptfigur vollends auszuloten. Fabienne Hesse bleibt als Managerin Vera selbst in den emotionalen Ausbrüchen seltsam steif, die eigentlich auch international erfahrene
Sonja Kerskes als penetrante Boulevard-Journalistin Eva sogar regelrecht farblos. Immerhin gelingt es aber Armin Riahi, aus seiner kleinen Rolle als eifersüchtiger Sanitäter einiges
herauszuholen. Und dann wäre da noch Swantje Riechers: Frisch von der Schauspielschule mimt sie die süße Jessy mit einer bezaubernden Unschuld und Leichtigkeit, die man bei ihren erfahreneren
Kolleginnen schmerzhaft vermisst. Geht doch.
Trotz mancher darstellerischer und auch dramaturgischer Schwächen unterhält „Ketten der Liebe“ durchaus, zumindest sofern man es schafft, die höheren Hirnregionen lahmzulegen und sich auf den
harmlosen Klamauk einzulassen, den Gerhardt und Co auf der Bühne präsentieren. Leichte Kost statt großem Theater – das hat ja auch durchaus seine Berechtigung. Und auch wenn man aus dem Stück
noch mehr hätte herausholen können, bedient es doch durchaus souverän einen bestimmten Geschmack, ohne dabei in Obszönität oder Peinlichkeit abzurutschen. Was längst nicht mehr so
selbstverständlich ist, wie es sein sollte. Bommes sei Dank.
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