Der Antichrist ist die Gier. Und sie ist überall. Davon ist der Messias nach drei Jahren auf der Erde felsenfest überzeugt. Nach drei Jahren, in denen er mühsam aus dem Heiligen Land nach Deutschland gekommen ist, dort in ein Flüchtlingsheim gesteckt, wegen seiner Predigten abgeschoben und von den USA in Guantanamo inhaftiert wurde. „Was ist da los“, fragt er ratlos. Wo sind Gerechtigkeit und Nächstenliebe, die er im Auftrag seines Vaters in die Welt gebracht hat? Eine gute Frage. Eine, die auch Aydin Isik nicht beantworten kann, der die Zweifel Jesu in seinem aktuellen Solo-Programm wie einen roten Faden inszeniert und zwischendurch über das Missverhältnis von Gott und der Welt, den Umgang mit Flüchtlingen, arabische Handelstricks und das letzte Abendmahl mit rein weiblicher Besetzung nachdenkt. Nicht immer geht diese Mischung auf, wie sich jetzt im Haus der Springmaus zeigt – wenn aber doch, muss das Publikum schlucken. Und nachdenken.
Isik ist ein nachdenklicher Kabarettist, einer, der auch mal auf Pointen verzichten kann und stattdessen auf Missstände aufmerksam macht. Auf den Hunger etwa, der alle drei Sekunden ein Menschenleben fordert, während im Westen in der gleichen Zeit kiloweise Lebensmittel in den Müll geworfen werden. Oder auf die mehr als 3000 zivilen Bombenopfer in Afghanistan, das dennoch von Deutschland als sicheres Herkunftsland eingestuft wird. All das prangert Isik an, fordert Verbesserungen. Doch dann wieder rutscht er in die Comedy-Schiene, verfällt in das Spiel mit den altbekannten Klischees, mimt den schweigsamen Mann und die redselige Frau. Ja, all das ist irgendwie ins Programm eingebunden, doch der Tonfall passt einfach nicht. Gleiches gilt für die „Erlkönig“-Analyse von Isiks Alter Ego Kenan aus Kreuzberg – eine großartige Nummer, keine Frage, aber eine, die im Rahmen der wachsenden Resignation des Messias keinen Sinn ergibt. Mitunter fehlt auch einfach die Substanz, gerade bei den Ausführungen über die Weltreligionen, die Isik sehr schlicht abhandelt, obwohl darauf die gesamte Argumentation fußt. Schade. Andererseits sind der grundsätzliche Ansatz Isiks und nicht zuletzt die Gespräche des Messias mit seinem Vater so stark, dass sie für manche schwachen Momente entschädigen. Davon bitte mehr.
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