Luft und Liebe, mehr braucht es für Romeo und Julia nicht. Die beiden Teenager, die als tragisches Paar die Literaturgeschichte prägen wie kaum ein anderes, verzehren sich nacheinander und können doch zusammen nicht kommen. Dieser Konflikt bildet das Zentrum von Shakespeares legendärem Drama, ihn gilt es bei jeder Inszenierung herauszuarbeiten – und genau daran scheiterte jetzt die American Drama Group Europe, die in den Kammerspielen Bad Godesberg mit ihrem TNT Theatre Britain zwei Vorstellungen in englisch gaben. Die barocke Inszenierung von Regisseur Paul Stebbings ließ die großen Emotionen vermissen und weder ergreifender Tragik noch verklärter Romantik den notwendigen Raum zum Atmen.
Vor allem die Hektik auf der Bühne erwies sich als kontraproduktiv. Immerhin wollte das Ensemble in etwas mehr als anderthalb Stunden mit dem Stück durch sein und verweigerte so allen Figuren,
einmal zum Moment „verweile doch, du bist so schön“ zu sagen. Dabei hätte gerade das einigen Szenen überaus gut getan. Andererseits hatte Stebbings mit der Wahl seiner beiden Hauptdarsteller
ohnehin nicht überzeugt: Aimee Hislop wirkte als Julia eher schrill denn naiv-verträumt, während sich Jerome Dowling als Romeo, mit seiner langen Mähne und der Maikäfer-Hose ein wenig an einen
Glam-Rock-Star der 80er Jahre erinnernd, zwar redlich um Tiefgang bemühte, sich aber weder in seiner Melancholie noch in seiner Verliebtheit aus der Ansammlung von Klischees und Plattitüden
befreien konnte. Umso größer erwies sich dadurch der Kontrast zu Andrew Nance, der seinen Mercutio zu einem gnadenlos komischen Charakter ausbaute, der auch mal im Publikum Platz nahm, sich als
Hund ausgab und doch innerhalb eines Wimpernschlags eine gewisse Ernsthaftigkeit zu vermitteln verstand. Großartig – und im Gegensatz zu manchen anderen Darstellern, die gerne mal zu den
seltsamsten Zeitpunkten ein groteskes Lachen ausstießen, meisterhaft ausbalanciert.
Ohnehin schienen die meisten Gestalten auf und hinter der Bühne nicht so ganz zu wissen, in welche Richtung die Inszenierung eigentlich laufen sollte. Die barocken Einspieler und Gesangspassagen
des Ensembles sowie die exaltierten Bewegungen kollidierten mit der überzeichneten Frivolität der komischen Figuren, die mitunter gar in die Groteske abzudriften drohten. Auch die mythischen
Personifikationen von Liebe und Tod, die wie einst in der antiken Tragödie präsent waren, wirkten dadurch eher absurd. Wirklich überzeugen konnten nur wenige Szenen, darunter der Maskenball, der
dank zweier beweglicher Wände eine bemerkenswerte Tiefe erhielt, sowie das hervorragend choreographierte Duell zwischen Tybalt (Cameron Harle) und Mercutio. Nicht umsonst bedankte das in großen
Teilen junge Publikum am Ende mit höflichem, aber keineswegs donnerndem Applaus.
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