Musik kennt keine Grenzen – dieser Satz ist gerade im Zusammenhang mit dem „Over the Border“-Festival schon häufiger gefallen. Eine Phrase, ja, aber eine, die ebenso wahr wie wahrhaftig sein kann, wenn die richtigen Künstler sie Wirklichkeit werden lassen. So wie im Kammermusiksaal des Beethovenhauses, wo das Publikum in den vergangenen zwei Tagen Musiker aus vier verschiedenen Ländern erleben konnten, die ihre unterschiedlichen Kulturen pflegten und aus dem Dialog heraus zugleich etwas Neues entstehen ließen. Das Konzert von Les 3Mas und Debashish Bhattacharya war mit Sicherheit das bislang fremdartigste Klangerlebnis der letzten Tage und Wochen, eines, für das man sich am weitesten aus der eigenen Wohlfühlzone herauswagen musste. Doch wer sich traute, wurde nicht enttäuscht.
Dabei waren vor allem die Tonwelten von Bhattacharya für westlich geprägte Ohren recht ungewohnt. Der 55-Jährige, der in seiner Heimat Kultstatus genießt, setzte die Ragas der klassischen indischen Musik mit der von ihm entwickelten 24-saitigen Slide-Gitarre um, ließ sich wie in Trance in die verschiedenen Modi fallen und spielte sie nicht nur, sondern zelebrierte sie als eine Art melodisches Gebet für Harmonie und Gelassenheit. Alle Töne, so erklärte er, würden in den Ragas in Abhängigkeit zum Grundton Sa stehen und seien damit „Kinder des Friedens“ – was allerdings rasante, mitunter auch kantige und sogar aggressiv wirkende Läufe nicht ausschloss. Ganz im Gegenteil: Für jede Stimmung und jedes Gefühl hatte Bhattacharya die passenden Skalen parat, die er zu einem meditativen Gesamtkunstwerk verknüpfte.
Dagegen war die Musik von Les 3Mas weitaus konkreter und greifbarer. Ballaké Sissoko aus Mali, Driss El Maloumi aus Marokko und Rajery aus Madagaskar haben sich schon vor Jahren gefunden – jeder von ihnen ein Meister eines traditionellen Saiteninstruments (Kora, Oud und Valiha) und gemeinsam ein pan-afrikanisches Kammermusik-Ensemble mit bemerkenswerter Spielfreude, das im Austausch miteinander über alle Grenzen hinweg fantastische Stücke erschuf. Dabei kam auch der Humor nicht zu kurz, sei es bei dem Requiem für einen zerquetschten Moskito oder bei dem missglückten Übersetzungsversuch einer politischen Rede, die im grotesken Kauderwelsch mündete. Doch auch ganz traditionelle Melodien erklangen, bei denen sich die Instrumente hervorragend ergänzten – auch unter Einbeziehung von Debashish Bhattacharya, der mit seinen Brüdern im Geiste zwei Stücke zum Besten gab. Das Publikum war am Ende einmal mehr begeistert und bedankte sich mit stehenden Ovationen für eine ganz besondere Konzerterfahrung.
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