Das „Over the Border“-Festival hat in diesem Jahr schon so einige herausragende Künstler nach Bonn gebracht: phänomenale Techno-Marching-Bands, überragende Klezmer-Größen, meditative Saiten-Virtuosen und explosive palästinensische Hip-Hop-Genies mit perfektem Flow. Doch selten war ein Abend derart politisch und gesellschaftskritisch aufgeladen wie das Doppelkonzert von Gato Preto und BSMG in der Harmonie. Denn hinter Rave-tauglicher angolanischer Tanzmusik und minimalistischen Afrotrap-Beats verbergen sich Botschaften, die wie MG-Salven in Richtung Publikum jagen und das Augenmerk auf Diskriminierungen und Geschichtsverzerrungen legen wollen. Disco-Feeling und Protest müssen sich eben nicht zwangsläufig ausschließen. Zumindest nicht mehr.
Im Mittelpunkt steht dabei der Berliner Rapper Megaloh, der seit einigen Jahren mit durchaus nachdenklichen Texten auf sich aufmerksam macht und 2016 mit „Regenmacher“ ein extrem starkes Album veröffentlicht hat. Jetzt hat er zusammen mit seinem Freund Musa und dem Produzenten Ghanaian Stallion das Projekt BSMG ins Leben gerufen, um die Deutungshoheit über die afrikanische Geschichte zurückzugewinnen. Gemeinsam positionieren sich die drei gegen Alltagsrassismus und postkoloniale Klischees, suchen nach einer eigenen Identität und nach ihrem „Platz an der Sonne“ – einem Begriff, mit dem nach der Kongo-Konferenz 1884 deutsch-nationale Kreise den Aufstieg Deutschlands zur Kolonialmacht feierten. Dieser Zusammenhang ist Megaloh und seinen Kollegen durchaus bewusst, sie spielen sogar ganz bewusst damit, kommentieren die Scheinheiligkeit des Westens, prangern den Umgang mit Flüchtlingen ebenso an wie die mangelnde Aufklärung des Völkermords an den Herero und Nama und gewähren dem begeisterten Publikum so ganz nebenbei eine Geschichtsstunde der Extraklasse. Zugegeben, ganz rund sind die Verse nicht, wirkt der Rhythmus im Vergleich zu den geschliffenen und präzisen Inhalten mitunter seltsam roh und brachial, doch spiegelt dies immerhin die Wut wider, die Megaloh und Musa nach eigenen Angaben spüren. Im Saal kommt dies an: Fröhlich wippen die Hände im Takt, am Ende tanzen gar einige Zuschauer auf der Bühne mit den beiden Sprachakrobaten, während Ghanaian Stallion für den entsprechenden Sound-Teppich sorgt.
Schon zuvor haben Gato Preto eine ähnliche Mischung präsentiert, mit etwas mehr Wumms und etwas weniger Text, aber mit ebenso viel Feuer. Gut, die so genannte Global-Bass-Musik, die die portugiesische Sängerin Gato Misteriosa zusammen mit Klangtüftler Lee Bass aus den pulsierenden Elektro-Klängen der in Angola beliebten Techno-Variante Kuduro destilliert, ist nun einmal in erster Linie zum Tanzen gedacht, doch die ein oder andere Botschaft kann sie dennoch transportieren. Und wenn schon nicht verbal, dann eben visuell. So lässt sich Misteriosa beim Stück „Policia“ auf der Bühne quasi verhaften, um gegen Polizeigewalt zu protestieren – eine eindrucksvolle Nummer, die ein wenig verschleiert, dass die Beats sich doch relativ schnell wiederholen. Immerhin aber setzt der dynamische Djembe-Spieler Moussa Diallo regelmäßig perkussive Akzente, und Misteriosa hat das Publikum ohnehin hervorragend im Griff. Austausch ist eben alles. Wie später bei BSMG lädt auch Gato Preto die Menge auf die Bühne, klettert aber auch selbst nach unten und feiert mit der Menge ein ebenso schweißtreibendes wie intellektuell forderndes Konzert, das durch Megaloh und seine Kumpane im Anschluss auf die Spitze getrieben wird. Respekt.
Kommentar schreiben