Es ist still in der Harmonie. Ganz still. Keiner rührt sich, kein Husten, kein Räuspern, kein Flüstern durchdringt den Raum. Alle sind viel zu fokussiert auf Awa Ly, sind berührt und bewegt von dieser charismatischen Sängerin, die gerade in einer emotionalen Ansprache all jener gedenkt, die auf der Suche nach einem besseren Leben im Mittelmeer ertrunken sind. Über 50.000 Menschen schließt die 41-Jährige mit tränenschwangerer Stimme in ihr Gebet ein, 50.000 Seelen, die Besseres verdient hätten. Mehr Respekt. Mehr Mitgefühl. Mehr Menschlichkeit. Es ist der mit Abstand intensivste Moment eines Konzerts, das niemand hätte verpassen sollen, eines, in dem so ziemlich alle Gefühle zum Tragen kommen, Trauer und Wut ebenso wie unbändige Freude und Lebenslust. Ein Konzert eben, wie man es nur noch selten erleben darf – und das dank Awa Ly doch Wirklichkeit geworden ist.
Die 41-Jährige ist ohne Frage eine Klasse für sich. Im vergangenen Jahr hat sie im Rahmen des „Over the Border“-Festivals das Pantheon gefüllt, jetzt kommt die Harmonie in den Genuss ihrer
unvergleichlichen Ausstrahlung und ihrer phänomenalen Stimme, die in jedem Stil zu Hause ist. Soul, R'n'B, Reggae, Rumba, Pop, alles kein Problem für die französische Künstlerin mit
senegalesischen Wurzeln, die ein ums andere Mal tief in ihren Liedern versinkt, ihre Botschaft nicht nur vorträgt sondern sie lebt und damit die Herzen ihrer Fans auf eine Weise anregt, wie es
nur wenige vermögen. Was auch daran liegt, dass Awa Ly keinerlei Berührungsängste hat, sondern im Gegenteil den Kontakt sucht, ins Publikum klettert, mit ihm zu den brillanten Solo-Partien ihrer
Band tanzt und jeden umarmt, der gekommen ist.
Das Konzert in Bonn ist aber auch insofern besonders, als Awa Ly sich kurzerhand zwei Überraschungsgäste eingeladen hat, die sie bei einem gemeinsamen Auftritt mit den Local Ambassadors
kennenlernte: Zum einen den Perkussionisten Roland Peil, der auch schon mit den Fantastischen Vier und Sarah Brightman zusammengearbeitet hat; und zum anderen die bezaubernde Sängerin Melane
Nkounkolo, die bei der Ballade „Here“ mit ihrer geschmeidigen, strahlenden Stimme einen schönen Kontrast zu dem etwas dunkleren, wandlungsfähigen Organ Awa Lys bildet. Die zusätzlichen
Klangfarben ergänzen die Kunst der Königin des Global Folk um einige aufregende Schattierungen und fügen sich hervorragend in ein Repertoire ein, das ebenso druckvoll wie zauberhaft ist,
grandiose, energiegeladene Nummern wie „Help You Out“ neben zarte, ganz reduzierte Meisterwerke wie „Wide Open“ stellt. Mehr Musik geht einfach nicht.
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