Die Bundespräsidenten alle ehemalige Nazis oder bigotte Dampfplauderer, die Bundeskanzler nicht viel mehr als vorhergehende und nachfolgende Inkarnationen von Helmut Kohl, die Parteien eine heuchlerische Mischpoke und die Gesellschaft weitgehend nur an einer schönen heilen Welt interessiert: Das Bild, das Henning Venske mit kräftigen, zornigen Strichen im Haus der Springmaus skizziert, ist alles andere als positiv. In diversen Schattierungen von Schwarz lässt der Satiriker, der 57 Jahre lang das politische Kabarett prägte und sich nun vom Tourleben zurückziehen will, in seinem finalen Programm „Summa Sumarum“ die Zeit seit dem zweiten Weltkrieg Revue passieren – und hat dabei nicht viel Gutes zu erzählen. Schließlich wird am Ende abgerechnet. Und zwar gnadenlos.
Für die regierende Klasse hat Venske nicht viel übrig. Theodor Heuss, der 1933 dem Ermächtigungsgesetz zustimmte, war ihm ebenso zuwider wie Heinrich Lübke (als „KZ-Baumeister“ verschrien),
Walter Scheel oder Karl Carstens, die er beide als NSDAP-Mitglieder deklassierte. Auch für die späteren Staatsoberhäupter hat er nur Verachtung übrig; einzig für Gustav Heinemann findet er einige
freundliche Worte. Doch letztlich sind die Amtsinhaber für Venske nur Repräsentanten eines Volkes, das nichts anderes verdient hat. „Warum sind wir nicht klüger geworden?“, fragt er mit Blick auf
Waffenexporte und Militäreinsätze, Wirtschaftshörigkeit und Alltagsrassismus. Er erinnert an die Klagen der Deutschen gegen die Italiener, die auf erschreckende Weise den Vorurteilen aus der
AfD-Polemik gleichen, an die bis heute anhaltende Konsumfreudigkeit, an der letztlich jeder Sozialstaat erstickt, und an die westdeutsche Spießigkeit, gegen die sich die 68er-Generation
auflehnte. Dass diese immer noch gerne in gewissen Kreisen für sämtliche Missstände verantwortlich gemacht werden, stört Venske massiv. „Ich denke, 68 braucht keine Nörgelei, sondern eine
Neuauflage“, sagt er.
Jahrzehnt um Jahrzehnt nähert Venske sich der Gegenwart, in seinen sorgfältig abgelesenen, fein stilisierten Sätzen jede politische Entwicklung niederredend. Selbst die Wiedervereinigung ist ihm
kein Wort des Lobes wert: „Ich wusste gleich, das kann nicht gut gehen“, behauptet er. Warum auch immer. Gerne wird Venske auch bitterböse (obwohl er selbst seine Ausführungen eher als nüchtern
und analytisch bezeichnet): „Die deutsche Industrie“, so sagt er kurz nach einer weiteren Nazi-Anspielung, „hatte ja schon immer ein besonderes Verhältnis zum Gas. Und jetzt betrügt sie auch noch
bei den Abgaswerten.“ Kein Wunder, dass Venske vor allem in den 70er Jahren aufgrund seiner mitunter radikalen Schärfe gerne mal von diversen Rundfunkanstalten mit Haus- und Sendeverboten belegt
wurde und eine Zeit lang als „Deutschlands meistgefeuerter Satiriker“ galt. Und gerade jetzt, da Venske sich aus dem Touralltag zurückzieht, packt er eben noch einmal alles aus, was er im Arsenal
hat. Auch wenn das schmerzt.
Doch warum sollte Venske sich auch zurückhalten? Er hat ja nichts zu verlieren, und wenn er nun einmal die Welt am Boden sieht, dann will er das auch so sagen. Für Schönheit sind eben andere
zuständig, etwa sein treuer Begleiter, der exzellente Akkordeonist Frank Grischek. Aber doch nicht der so barsch wirkende Venske. „Man kann schon sehr stolz sein auf Deutschland, wenn man keine
besonderen Ansprüche stellt“, fasst er seine Haltung zusammen. Viele im Publikum dürften ihm da nicht zustimmen. Und vielleicht ist es ja auch das, was Venske mit seiner grantelnden Abrechnung
erreichen will. Ein wenig Widerspruch. Und einen Funken, der mit etwas Glück doch zu einer kleinen Verbesserung führen kann. Immerhin kommt Aufgeben für Henning Venske trotz allem nicht in Frage.
„Resignation ist keine Lösung“, betont er. Und so wird auch er weitermachen. Nicht als politischer Kabarettist, aber doch in irgendeiner mahnenden Form. Man kann es nur hoffen.
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