Alles verläuft im Kreis. Selbst der Weg. Ohne Wiederholungen wäre „Vägen“, eine der schönsten Kompositionen des Tingvall Trios, nur noch halb so intensiv, lebt sie doch von dem immer wiederkehrenden Motiv, das Ausgangspunkt für Entdeckungsreisen ist und gerade in einer scheinbar geschlossenen Form die größte Freiheit entdeckt. Schon 2011 hat Martin Tingvall nach diesem Prinzip komponiert und wundervolle, verspielte Jazzstücke geschrieben, in denen sich seine oft filigranen, elfenhaften Melodien mit dem versierten Bass Omar Rodriguez Calvos und dem treibenden, vom Rock geprägten Schlagzeugspiel Jürgen Spiegels vermischten und spiralförmig in immer neue Klangwelten vorstießen.
Auf dem aktuellen Album „Circlar“, das das Trio jetzt an zwei restlos ausverkauften Abenden in der Harmonie vorstellte, führen der schwedische Tastenzauberer und seine beiden Bandkollegen dies
fort und beweisen mit ebenso expressiven wie traumhaften Soli, warum sie zu Recht zu den derzeit besten europäischen Pianotrios gezählt werden.
Es ist schon ein Erlebnis, Tingvall und Co dabei zuzuhören, wie sie sich die Bälle beziehungsweise die durch den Raum kreisenden Klangfiguren zuwerfen und sie zu immer neuen Gebilden formen,
einem Bumerang etwa, einem Karussell oder einer Ewigkeitsmaschine. Jeder darf sich mal austoben, was vor allem Drummer Spiegel dazu nutzt, um zu explodieren und das Trio auf der Kreisbahn um den
musikalischen Kern anzutreiben. Das kommt an, auch auf dem Album, das in der ersten Woche kurzerhand auf Platz 29 kletterte – in den Pop-Charts. Muss man als Jazzer erst einmal schaffen. Zumal
man dem Tingvall Trio sicherlich nicht den Vorwurf machen kann, sich dem Mainstream anzubiedern. Es hat halt nur Spaß an dem, was es tut. Und das hört man. Insbesondere jetzt. „Wir haben die
Songs inzwischen so oft gespielt, dass wir die festen Pfade ein wenig verlassen können“, bekannte Martin Tingvall am vergangenen Dienstag. So werden die Kreise eben ein bisschen größer, die
Reisen ein bisschen ausgedehnter und die Soli abgedrehter. Bei alten Stücken wie „Mustasch“ ist das längst selbstverständlich, da führt vorübergehend auch mal Calvo, während Tingvall pausiert,
nur um dann mit seinem späten Einstieg völlig aus sich herauszugehen. Doch auch was beim „Sakansk Blues“ oder dem herrlich besinnlichen „Psalm“ entsteht, ist ein Genuss für die Sinne. Das
Publikum in der Harmonie war dementsprechend begeistert und feierte das Tingvall Trio trotz eines recht frühen Ende des Konzerts frenetisch.
Kommentar schreiben