Ein ausgelassen tanzendes Publikum ist beim Jazzfest Bonn ein eher ungewohnter Anblick. Doch wenn das legendäre Kollektiv Incognito schon einmal im Telekom Forum eindrucksvollen Soul und energiegeladenen Funk präsentiert und nachdrücklich dazu auffordert, sich vor der Bühne auszutoben, kann und will sich niemand der Party verweigern. Zumindest nicht permanent. Dafür geht der Groove zu sehr in die Beine, die Klänge zu sehr in den Bauch, die Präsenz der Frontsänger Melonie Crosdale, Joy Rose und Moritz Bernhardt zu sehr unter die Haut. Ja, es ist sehr gefällige Musik, dem Pop mindestens genauso nahe wie dem Jazz – aber sie kommt an und trifft den Geschmack der Menge mit bemerkenswerter Präzision.
Dies gilt ohnehin für den Großteil der Konzerte am Anfang des diesjährigen Jazzfests. Auch Soulsänger Ed Motta wird bejubelt, obwohl die meisten seiner Songs weitgehend dem selben Schema folgen und jene kantigen, druckvollen Passagen vermissen lassen, die Incognito auszeichnen. Andererseits steht außer Frage, dass der 46-Jährige ein herausragender Stimmakrobat mit enormer Bandbreite ist, der genüsslich die ihm eigene Mischung aus Soul, Jazz, Rock und Latin zelebriert, skurrile „crime stories“ vertont („Farmer's wife she had a knife“) und sich auch gerne mal von TV-Serien wie „Hart aber Herzlich“ und „Magnum“ inspirieren lässt. Bei der Ausgestaltung überlässt Motta dabei nichts dem Zufall, behält zu jedem Moment die Fäden in der Hand, hinter seinem Fender Rhodes seine Band wie ein Feldherr dirigierend. Eine starke Leistung – und doch wirkt der Nero Wolfe des Soul-Jazz erst gegen Ende wirklich frei, etwa als sein Keyboarder Matti Klein das Publikum zum Mitklatschen animiert oder als Incognito-Leiter Jean-Paul Maunick Motta noch einmal auf die Bühne holt. Jetzt kommt die beeindruckende Stimme erst vollends zur Geltung, in diesem Moment der Ungebundenheit, in dem alles egal scheint. Großartig.
Dies gilt ohnehin für den Großteil der Konzerte am Anfang des diesjährigen Jazzfests. Auch Soulsänger Ed Motta wird bejubelt, obwohl die meisten seiner Songs weitgehend dem selben Schema folgen
und jene kantigen, druckvollen Passagen vermissen lassen, die Incognito auszeichnen. Andererseits steht außer Frage, dass der 46-Jährige ein herausragender Stimmakrobat mit enormer Bandbreite
ist, der genüsslich die ihm eigene Mischung aus Soul, Jazz, Rock und Latin zelebriert, skurrile „crime stories“ vertont („Farmer's wife she had a knife“) und sich auch gerne mal von TV-Serien wie
„Hart aber Herzlich“ und „Magnum“ inspirieren lässt. Bei der Ausgestaltung überlässt Motta dabei nichts dem Zufall, behält zu jedem Moment die Fäden in der Hand, hinter seinem Fender Rhodes seine
Band wie ein Feldherr dirigierend. Eine starke Leistung – und doch wirkt der Nero Wolfe des Soul-Jazz erst gegen Ende wirklich frei, etwa als sein Keyboarder Matti Klein das Publikum zum
Mitklatschen animiert oder als Incognito-Leiter Jean-Paul Maunick Motta noch einmal auf die Bühne holt. Jetzt kommt die beeindruckende Stimme erst vollends zur Geltung, in diesem Moment der
Ungebundenheit, in dem alles egal scheint. Großartig.
Diesen Ansatz pflegt Andreas Schaerer von der ersten Sekunde an. In der Aula der Universität Bonn setzt der Frontmann der umjubelten Formation „Hildegard lernt fliegen“ mit seinem neuen Projekt A
Novel of Anomaly sämtliche Grenzen des Gesangs außer Kraft, trillert wie ein Vogel, dröhnt wie eine Posaune, jodelt wie ein Bergführer, mühelos jede Höhe erklimmend und jede Sprache beherrschend.
Inhalte sind zweitrangig in diesem Klangkosmos, in dem Genie und Wahnsinn besonders nah beieinander liegen. Was zählt, ist die Stimme als Instrument, das hervorragend mit dem poetischen
Akkordeonspiel von Luciano Biondini, dem kraftvoll-rockigen Gitarrensound von Kalle Kalima und den virtuosen Schlagzeug-Patterns von Lucas Niggli harmoniert. Das ist Jazz in Reinform: verrückt,
kreativ, innovativ, dargeboten von einem Quartett, das sich blind versteht und einfach nur spielen möchte.
Letzteres kann auch Nils Wülker von sich behaupten. Der Bonner Star-Trompeter hat schon in vielen Stilen nach Eingebungen gesucht, hat sich Rock, Pop und Soul gewidmet, sich als Songwriter
versucht und die so gesammelten Erfahrungen in sein lyrisches Spiel integriert. Derzeit ist er mit seinem neuen Album „On“ unterwegs, das weit weniger songlastig ist als der Vorgänger (auch wenn
ab und zu Sänger Rob Summerfield seine Aufwartung macht) und sich eigentlich eher aus dem Hip-Hop speist. Davon spürt man live allerdings wenig, da Wülker und seine Band weitgehend auf
Effektgeräte verzichten und stattdessen eher dem Wohlklang huldigen. Dem verträumt-romantisierenden Sound von Stücken wie „Dawn“ steht dabei der wuchtige Rock-Impetus von „Safely Falling“
gegenüber, ohne dadurch an Massentauglichkeit einzubüßen. Das Publikum ist dementsprechend begeistert und könnte doch ein paar zusätzliche Herausforderungen vertragen. Aber mal sehen, was das
Jazzfest noch so bringt. Es hat ja gerade erst begonnen.
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