Eigentlich könnte das Leben so schön sein. Der Filius ist endlich volljährig und kurz davor, im Rahmen eines mehr oder weniger freiwilligen sozialen Jahres in den Slums von Rio zu verschwinden, die Zweitkarriere als Komponist veganer Kinderlieder brummt, die bislang vom Sohn bewohnte Einliegerwohnung wird frei und könnte zum Studio umgebaut werden – für Christian Ehring läuft alles super. Wenn da nur nicht die gutherzige Gattin wäre, die Ideen nicht einfach nur Ideen sein lassen kann, sondern diese armen Geistkonstrukte kurzerhand in die brutale Realität übertragen will. Jetzt will sie also Flüchtlinge aufnehmen. Dabei ist das doch so 2015.
Nicht, dass Ehring grundsätzlich etwas dagegen einzuwenden hätte, schließlich ist er ja das Paradebeispiel eines Gutmenschen – aber doch nicht gerade jetzt. Man muss doch auch mal an sich denken
können. Im Pantheon legt Ehring nun seine Argumente dar, betrachtet die Weltpolitik durch den Fokus der Familie und sorgt mit satirisch-bissigen Zerrbildern einer gutbürgerlichen
Wohlstandsgesellschaft für viel Gelächter. Und die ein oder andere Selbstreflexion.
Weniger hat man von Ehring auch nicht erwartet. Der Extra-3-Moderator ist ein begnadeter Kabarettist, der nur zu gerne der Mittelschicht die Maske der scheinbaren Anteilnahme und
Menschenfreundlichkeit vom Gesicht reißt. Denn natürlich hilft man gerne, aber nur, so lange der eigene Luxus davon nicht beeinträchtigt wird. Man will sich ja nicht selber ausbeuten, das macht
man nur mit anderen. Und immerhin sollte jeder nur im Rahmen seiner Möglichkeiten helfen. Schließlich kann nicht jede Familie so eine Einliegerwohnung mit kleiner Küche und kleinem Bad zur
Verfügung stellen – manche müssen den Raum einfach anders nutzen, können den Flüchtlingen dafür aber ein paar CDs mit Musik zur Verfügung stellen, die diese noch nie zuvor gehört haben. Und
wahrscheinlich auch nie hören wollten. Obwohl, so schlecht spielt Ehring jetzt auch wieder nicht Klavier...
Obwohl Ehring sich kontinuierlich um die großen Themen unserer Zeit kümmert, um die Flüchtlingskrise, die Ungleichbehandlung von Mann und Frau und um die zum Kampfbegriff mutierten konservativen
Werte, bleibt er doch zugleich immer im Privaten. Aus diesem Umfeld heraus entwickelt er starke Pointen, kann aber doch zugleich nicht verhindern, dass er gewisse Klischees aufgreift. Natürlich
verfügt sein Sohn über das Phlegma eines toten Pferdes, und während seine Frau dank der Landlust von einem Leben in ruralen Gefilden träumt. Hinlänglich bekannte Muster, die bei nahezu jedem
Kabarettisten im Repertoire sind. Andererseits gibt es kaum jemanden, der diese Ausgangsposition so geschickt zu nutzen versteht wie Ehring. Nur selten tritt er aus seinem Familienszenario
heraus, etwa indem er den Politikteil des General Anzeigers analysiert oder sich der #metoo-Debatte widmet – dann wird er für einen Moment ernst, verzichtet auf die sonst allgegenwärtige Satire
und spricht Klartext. Nicht nur dafür erhält er im Pantheon am Ende überaus kräftigen Beifall.
Kommentar schreiben