Ach ja, die Frauen. Was tut man nicht alles für sie. Umschwärmt sie, umgarnt sie, verführt sie, berührt sie – und stellt dann fest, dass sie mehr als nur einen Mann brauchen oder aber diesem schon aus Prinzip widersprechen. Davon kann so mancher ein Liedchen singen. In der Bonner Oper übernimmt dies Max Raabe, mit Freuden und mit einem Freund. Pianist Christoph Israel und der Sänger mit der unverkennbaren Schellackplattenstimme kennen sich schon seit der Jugend und gehen nur allzu gerne gemeinsam auf Tour, um den kecken Couplets und den zarten Schlagern der 20er und 30er Jahre neues Leben einzuhauchen. Was dann erklingt, ist Raabe pur, ganz ohne sein Palast Orchester und daher vielleicht nicht ganz so schmissig, dafür aber deutlich intensiver. Und ungeheuer unterhaltsam.
Es steht außer Frage, dass Max Raabe DIE Stimme der Renaissance der „Goldenen Zwanziger“ ist: Er hat die Mischung aus vollem Operetten-, nasalem Chanson- und sonorem Sprechgesang bis zur
Perfektion kultiviert, flötet mühelos im Falsett und erzählt kurz darauf in kraftvollem Bariton. Dabei reizt der klassische ausgebildete Sänger sein Organ voll aus, macht dies aber derart mühelos
und nonchalant, dass es eine Lust ist. Genüsslich formt er die spritzigen Zeilen, singt von der gierigen Carmen und dem mörderischen Graf Stroganoff, der süßen Esther und ihrer Zwillingsschwester
oder auch der unerreichbar erscheinenden Ninon. Für letztere wechselt Raabe sogar ins Englische – ja, auch das kann er, hervorragend sogar. Ebenso wie Russisch. „Fremdsprachen erlauben es dem
Publikum, die Fantasie schweifen zu lassen“, betont er, liefert dann aber doch eine Übersetzung zu jenem seltsamen Tango aus dem Osten mit. Auch wenn es vielleicht nicht die erhoffte ist: Statt
um acht nackte Schwestern und neun wilde Ulanen geht es dann doch nur um ein altes Mütterchen, dass einen Sud zubereitet. Sagt zumindest Max Raabe, dem man das in Ermangelung entsprechender
Fremdsprachenkenntnisse jetzt einfach mal glaubt, auch wenn das unterschwellige Augenzwinkern in seinen Worten doch auch andere Interpretationen zulässt.
Immer wieder sorgt Max Raabe mit pfiffigen (und zum Teil auch gepfiffenen), mitunter schreiend komischen Versen für Heiterkeit, auch wenn er dabei nie die Contenance verliert. So etwas gehört
sich für einen Gentleman schließlich nicht. Der genießt – und singt. Dabei ist es schon herrlich, was Komponisten und Texter wie Friedrich Hollaender oder Fritz Rotter zusammengedichtet haben.
Wenn Rotkäppchen lauthals vom Herrn Wolf im Bett der Großmutter warnt, obwohl es doch nur der Prokurist Hirsch ist, liegt das Publikum vor Lachen auf dem Boden. Doch Raabe verzieht keine Miene.
Er bleibt unnahbar, allzeit charmant aber eben auch distanziert, verzichtet auf eine künstliche Anbiederung mit dem Publikum und setzt stattdessen auf minimalistische Moderation. Soll die Musik
doch für sich selber sprechen. Egal ob sie vor Witz sprüht oder vor Zärtlichkeit. „Weißt Du Denn Du“ seufzt Raabe, und auch damit liegen ihm alle zu Füßen. Von Kitsch keine Spur, dafür ist er
einfach zu gut. Und natürlich ist er auch stets ein Kavalier, der keine plumpen Sprüche oder offenkundige Anzüglichkeiten duldet. Hintersinnig, spitz, aber nie zu direkt. Musik der alten Schule
eben. Und für die gibt es keinen besseren Lehrer als Max Raabe.
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