Aufwachen! Aufblicken! Und Zuhören! Drei Imperative, die Omer Klein derzeit immer wieder in Richtung des Publikums wirft. Die Menschen sollten einfach etwas aufmerksamer sein und nicht ständig auf ihre Smartphones schauen, betont der 36-Jährige, der derzeit zu den aufregendsten israelischen Jazzpianisten zählt und mit seinem aktuellen Album „Sleepwalkers“ selbst beim Mediengiganten Warner für Aufsehen sorgt. Also Achtung – vor allem wenn er spielt. Andererseits ist es ohnehin kaum vorstellbar, dass jemand bei der Musik des Omer Klein Trios überhaupt schlafen kann; zu aufrüttelnd ist sie, zu energiegeladen, zu gut. In der Harmonie wechselten die Drei mühelos zwischen Latin-Nummern, Modern Jazz und orientalisch geprägten Nummern und sorgten so für ein kurzes, aber auch durchaus kurzweiliges Konzert auf höchstem Niveau.
Seit fünf Jahren spielen Omer Klein, Bassist Haggai Cohen-Milo und Schlagzeuger Amir Bresler inzwischen zusammen. Längst haben sie sich aneinander gewöhnt, harmonieren perfekt und haben
angesichts des Dauergrinsens auf dem Gesicht von Cohen-Milo offensichtlich im Konzert jede Menge Spaß. Kein Wunder bei herrlich tänzerischen Nummern wie „Niggun“, die eine klassisch inspirierte
Grundmelodie mit einem lateinamerikanischen Groove kombinieren und damit im Publikum für große Begeisterung sorgen. Die entspannte Haltung nimmt zwar im weiteren Verlauf ein wenig ab, während
sich die Musik zunehmend in Richtung eines expressiven Modern Jazz verschiebt, schwingt aber selbst bei dem Titelstück „Sleepwalkers“ noch mit.
Der Balance-Akt zwischen verträumter Leichtigkeit und aufrüttelnder Kraft gelingt dem Omer Klein Trio bei ihrem Auftritt im Rahmen des Beethovenfests so wie schon 2017 beim Jazzfest Bonn mit
Bravour. Stets bleibt die Tonsprache eingängig, klar und nachvollziehbar, selbst in den virtuosen Soli, in die sich vor allem Cohen-Milo immer wieder mit Gusto stürzt. Gelegentlich erhält auch
Bresler mehr Raum, der sein fein differenziertes Spiel dann deutlich kraftvoller werden lässt. Klein selbst spielt sich derweil gar nicht so sehr in den Vordergrund, ist ja ohnehin ständig
präsent, während seine Finger über die Tasten fliegen und elegante Läufe in Tönen bannen. Klasse.
Obwohl „Sleepwalkers“ erst im vergangenen Jahr das Licht der Welt erblickt hat, nutzt Omer Klein in der Harmonie auch die Gelegenheit, ein paar frische Kompositionen live auszuprobieren. Ein neues Album habe man gerade erst aufgenommen, bekennt er: Eines, das rhythmisch weitaus vertrackter erscheint als die Vorgänger. Vor allem der Titeltrack „„Radio Mediterranee“ weist viel deutlichere arabische Impulse auf als alles, was sonst an diesem Abend zu hören war. Inwieweit sich Klein dabei auf die Flüchtlingskrise bezieht, erläutert dieser leider nicht. Stattdessen beendet er früh das Konzert, sehr früh sogar. Schon nach 70 Minuten ist der offizielle Teil vorbei, und zu mehr als einer Zugabe kann sich das Trio trotz eines langanhaltenden Beifalls leider nicht aufraffen. Dies ist denn auch der einzige Wermutstropfen eines ansonsten sehr reizvollen, abwechslungsreichen Jazz-Konzerts, bei dem das Wachbleiben und Zuhören einfach nur zu empfehlen ist.
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