In wenigen Tagen ist es wieder soweit. Ganz unerwartet, so wie jedes Jahr: Weihnachten. Das Fest der Liebe, der Besinnlichkeit und des Wahnsinns. Eine Zeit, in der die Familie zusammenrückt, ob sie will oder nicht, und sich gegenseitig mit ihren Marotten und Eigenheiten verrückt macht. Es sind tolkiensche Szenen, wie Poetry-Slammerin Sandra Da Vina sie skizziert: Ständig klopfen irgendwelche seltsamen Gestalten an die Haustür, um dann in der Waschmaschine Schnaps zu brennen, das provokante Geschenkpapier mit seinen rasiermesserscharfen Kanten kurzerhand mit Feuer zu bekämpfen und sich mit Stirbkuchen zu bewerfen, also jenen verunglückten Lebkuchen-Varianten, die im mütterlichen Backofen eine Metamorphose zu Gebäck-Gargoyles hinter sich gebracht haben und nun nur noch als Zwergenbrot oder als Mordwerkzeug taugen.
Was für eine Vorstellung, die trotz mancher Parallelen zum „Hobbit“ doch gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt ist. Gerade deshalb ist sie auch ein Fall für Akte X-Mas. Das beliebte
Kabarettformat feiert im verflixten siebten Jahr seine Premiere im Bonner Pantheon und hat wieder bezaubernde Lieder und skurrile Texte im Gepäck, die vielleicht nicht für einen besinnlichen,
wohl aber für einen unterhaltsamen Abend sorgen.
Da Vina ist die neueste Ergänzung des Akten-Teams, das erstmals auf Torsten Sträter verzichten muss. Ein herber Verlust, war der Ruhrpottler doch immer eine der tragenden Säulen des Programms.
Doch Da Vina gelingt es, diese Lücke zumindest teilweise zu schließen – und jeder, der einmal Sträter erlebt hat, weiß, was das bedeutet. Die 29-Jährige hat aber auch einfach herrliche
Geschichten im Gepäck, die das Alltägliche mit so viel Liebe zum Detail überzeichnen, dass es ein Genuss ist. Nicht nur die familiäre Szenerie sorgt für Gelächter, auch ihre Leidenschaft für
exzessives Raglettieren. Die anderen Mitglieder der Akte X-Mas stehen Da Vina allerdings in nichts nach. Katinka Buddenkotte bastelt aus jahrzehntelang nicht weiterverschenktem Tinnef und
mehreren Tonnen Tee mehr oder weniger kunstvolle Duft-Mammutbäume, Andy Strauß lockt in einem von Raymond Chandler und dem Film Noir beeinflussten Thriller den Grinch in eine Falle, und Fritz
Eckenga gibt als privater Wachmann dem Publikum ein Gefühl von Unsicherheit. „Ich bin ihr Beistellschaf“, sagt er, verspricht Sicherheit und kann doch im Extremfall nicht viel machen. Aber
zumindest die Illusion ist gewahrt.
Neben derartigen Absurditäten, die das Trio aus Björn Jung, Ulrich Schlitzer und Jenny Bischoff mit Gedichten und Geschichten von Horst Evers oder Erich Kästner ergänzen, präsentieren Paul
Wallfisch und Charlotte Brandi musikalische Kostbarkeiten. Mal derb („Fuck Christmas“ von Billy Idol), mal bezaubernd („Blue Christmas“) und gerne auch international („Santa Lucia“) bringen die
beiden einzeln oder als Duo Farbe in die Akte. Eine starke Mischung für all jene, die Weihnachten einmal anders erleben möchten.
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