Wenn „Charleys Tante“ auf der Bühne erscheint, ist ihr der Applaus des Publikums sicher. Die Farce von Brandon Thomas aus dem Jahr 1892 ist eine der bekanntesten Komödien der Welt und war einst Auslöser für eine ganze Welle an Travestie-Stücken, in denen Männer genüsslich in Frauenkleider stiegen, um das ein oder andere Verwirrspiel im shakespearschen Sinne zu initiieren. Nun hat das Contra-Kreis-Theater das Stück in der Regie von Jan Bodinus auf die Bühne gebracht und mit dem Comedian Kalle Pohl auch einen Hauptdarsteller gefunden, der an der Rolle der skurrilen und in seinem Fall auch überaus trinkfreudigen alten Dame durchaus Spaß zu haben scheint. Doch leider bleibt die Inszenierung dennoch hinter seinen Möglichkeiten zurück, wirkt vor allem zu Beginn schrecklich banal und bemüht und nimmt erst im zweiten Teil langsam etwas an Fahrt auf.
Die Handlung ist dabei ebenso schlicht wie vorhersehbar: Die beiden jungen Männer Charley (David Imper) und Jack (Felix Bold) sind im London der 1920er Jahre unsterblich in Amy (Christine Last)
und Kitty (Olja Artes) verliebt und wollen den beiden Damen ihre Gefühle gestehen, bevor die Mädchen mit ihrem Onkel nach Schottland reisen und sich dort möglicherweise von wackeren Highlandern
umringt sehen, die mit ihren Kilts und dem, was sie darunter tragen beziehungsweise nicht tragen, wahrscheinlich sämtliche unschuldigen Herzen im Sturm erobern (ja, das ist tatsächlich die
Prämisse dieser Inszenierung. Noch tiefer hätte man kaum in die Schundkiste der Klischees greifen können). Doch ein Treffen kommt auch in einer Zeit, in der sich aufgeweckte Frauen das Wahlrecht
erkämpft haben, nicht ohne eine Anstandsdame in Frage. Und da sich Charleys Tante Donna Lucia (Reinhild Köhncke) verspätet, muss eben Gärtner Brassett (Kalle Pohl) ran, der ohnehin gerade für die
weibliche Hauptrolle in „Romeo und Julia“ probt. Mit ein paar Gläschen Whiskey und anderen Alkoholika wird der arme Senior gefügig gemacht, finet aber zunehmend Gefallen an dem Tanten-Dasein, bei
dem er ohne Scheu mit den beiden Mädchen kuscheln kann. Dumm nur, dass auch Jacks Vater Sir Francis Chesney (Kay Szacknys) ein Auge auf die vermeintliche Multimillionärin geworfen hat, um durch
eine Ehe seine eigenen Schulden loszuwerden. Als dann auch noch die echte Donna Lucia auftaucht, ist Chaos vorprogrammiert.
Dass es bei einem derartigen Stück nicht allzu ernst zugeht und Inhalte gerne mal zu Gunsten schlüpfriger Gags und trunkenem Torkeln über Bord geworfen werden, dürfte nicht sonderlich
überraschen. Allerdings bietet die Bearbeitung von Blaire Woodstein, auf die Regisseur Bodinus hier zurückgreift, schon von vornherein nur das rudimentärste Gerüst, in dem sämtliche Hintergründe
plump und ohne jegliches dramaturgisches Geschick den Figuren in den Mund gelegt werden. Diese können sich denn auch überhaupt nicht entwickeln, sind nichts anderes als Abziehbilder, mit denen
vor allem die jungen Schauspieler nicht wirklich viel anfangen können. Vor allem Felix Bold ist als Jack überaus hölzern und steif, so als würde er jeden Satz noch mühsam ablesen statt ihn frei
zu sprechen, während Olja Artes und Christine Last als permanent kichernde Frauenzimmer ebenfalls keine Substanz zeigen können. Das gelingt Kay Szacknys und vor allem Kalle Pohl schon deutlich
besser – nicht ohne Grund sind die Szenen der beiden die unterhaltsamsten des Abends. Pohls treu-trotteliges Spiel, das leider durch den (natürlich nicht realen) ständigen Alkoholkonsum an Charme
verliert, hat mitunter etwas von Butler James aus „Dinner for One“, tendiert allerdings mehr in Richtung Schnapsdrossel. Derartige Regie-Entscheidungen treiben das Stück endgültig in die Flasche,
statt es aus dieser zu befreien. Ebenfalls nicht dienlich ist es, dass Kalle Pohl mehrfach aus dem Off eine Gitarre überreicht bekommt – zwar hat er einst klassische Gitarre studiert, warum dies
allerdings das Stück mit weiteren belanglosen Szenen aufladen muss, statt den Raum für die Ausgestaltung der Figuren zu nutzen, bleibt ein Rätsel. Letztlich bleibt „Charleys Tante“ so ein banaler
Schwank, der bei der Premiere zwar höflichen, aber nicht sonderlich euphorischen Applaus erhielt.
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