In der chinesischen Astrologie werden Schweine besonders geschätzt. Sie symbolisieren Glück, Reichtum und Zufriedenheit, verstehen es zu feiern und zu teilen, sind treu und überaus hilfsbereit. Nun hat das Suzhou Chinese Orchestra in der Bonner Oper den bevorstehenden Übergang in das Jahr des Erd-Schweins, das am 5. Februar beginnt, mit einem bemerkenswerten Konzert gefeiert. Zeitgenössische Kompositionen und traditionelle Melodien aus dem Reich der Mitte boten einen Einblick in eine zum Teil fremde Kultur voller Schönheit, Anmut, Dynamik und Kraft und gossen ein Feuerwerk der Emotionen in ebenso exotische wie faszinierende Töne.
Schon die Instrumentierung war für westliche Augen und Ohren ungewöhnlich: Statt Geigen und Bratschen dominierten die Röhrenspießlauten Erhu und Gaohu das Bild, in den hinteren Rängen fanden sich
unter anderem Saiteninstrumente wie die Ruan oder die Pipa, Bambusflöten (Dizi) oder die Sheng aus der Familie der Mundorgeln. Erweitert wurde dieser Klangkosmos jedoch durch die in China
unüblichen Kontrabässe und Celli, um das in Europa übliche Volumen zu erhalten. Immerhin versteht sich das 2017 gegründete Suzhou Chinese Orchestra unter der Leitung von Pang Kapang auch als
Brückenbauer zwischen West und Ost, bewahrt Traditionen und sucht zugleich nach Wegen, um die althergebrachte Musik in moderne Formen zu bringen. Das Bonner Programm spiegelte dies denn auch
wider. Mitunter konnte man mit geschlossenen Augen fast glauben, einem deutschen Klangkörper zu lauschen – lediglich der Verzicht auf Blechbläser hätte auffallen können. Die Musiksprache war
jedoch vertraut, versehen mit großen Bögen und enormer Dynamik. Dies war bei „Macau Capriccio“ nicht weiter verwunderlich, sollte dieses Werk, das Wang Danhong anlässlich des 16. Jahrestags der
Wiedervereinigung der ehemaligen portugiesischen Kolonie mit China im Jahr 2015 schrieb, doch die besondere Atmosphäre dieser Exklave einfangen. An westlichen Einflüssen wie etwa dem ein oder
anderen lebhaften Menuett oder manchen mediterranen Motiven führte somit kein Weg vorbei. Dass jedoch auch die Frühlingsfest-Ouvertüre von Li Huanzhi, die von Melodien und Rhythmen aus der
Provinz Shaanxi inspiriert ist, in seiner Ausgestaltung fast schon cineastisch geriet, überraschte denn doch, sorgte aber zugleich für große Begeisterung angesichts der vertrauten Harmonik.
Zwischen diesen beiden Polen geriet die Musik dann aber doch fremdartiger, wenn auch nicht weniger bezaubernd. Vor allem die von einem berühmten chinesischen Volkslied inspirierte Komposition
„Jasminblüte“ entsprach den Erwartungen. Herrlich aber auch „Der Mondschein über der zweiten Quelle“, bei dem Erhu-Virtuose Zhu Changyao mit traumhafter Intensität zu überzeugen verstand und eine
meditative Stimmung erzeugte, die von der ersten Sekunde an das Publikum berührte. Die stärksten Bilder erzeugte aber der „Schmetterlingstraum“, bei dem die junge Cellistin Kang Qiaoxuan mit
vielseitigem, gefühlvollem und doch zugleich kraftvollem Spiel die Metamorphose und den Kreislauf des Lebens in Töne packte und der sich wandelnden Raupe in der Auseinandersetzung mit der zum
Teil rabiaten Außenwelt eine Stimme verlieh. Ein bildgewaltiges Werk, das durchaus eine nachvollziehbare Geschichte erzählt. Weitaus rudimentärer, wenn auch ebenso ausdrucksstark kamen derweil
die „Lyrischen Variationen“ von Liu Changyan daher, das wohl ungewöhnlichste Werk des Abends: Eine Ansammlung von in Tönen gegossene Emotionen, die mal zärtlich und dann wieder martialisch
klangen, Dissonanzen ausloteten und Gemeinsamkeiten fanden. Das alles kann chinesische Musik sein. Ein bemerkenswerter Einblick und ein hervorragender Auftakt für ein neues Jahr, dem das Schwein
hoffentlich gerecht wird. Dem Suzhou Chinese Orchestra gelang es auf jeden Fall bereits, so dass das Publikum sich auch zu Recht mit kräftigem Applaus und stehenden Ovationen bedankte.
Kommentar schreiben