Körper räkeln sich im Forum der Bundeskunsthalle in einer Parodie von Sinnlichkeit und Verlangen, mal entsexualisiert und dann wieder überzeichnet, gefangen in einer Abfolge von mehr oder weniger monotonen Bildern und gelenkt von vorgetragenen Wortfeldern, die zum Teil direkt dem Google-Algorithmus entnommen sein könnten. Such begriffe im Zusammenhang mit 18-Jährigen verbinden sich mit Abhängigkeiten und Begehrlichkeiten zu einer Collage von Codes, denen Alexandra Bachzetsis in ihrem neuesten Stück „Escape Art“ eine vor Klischees strotzende Form gegeben hat. Am vergangenen Freitag war die Performance der Schweizer Choreographin und ihres Ensembles nun im Rahmen der Reihe „live arts“ in Bonn zu sehen.
Für ihr aktuelles Projekt hat sich Bachzetsis mit dem Verlangen auseinandergesetzt und mit jenen soziologischen Mechanismen, die bestimmte Gender- und Rollenbilder festlegen. Es sind Fragen nach Sein und Schein, nach dem Schönheitswahn aufgetakelter Youtube-Influencer ebenso wie nach den Vorbildern der Queer Culture, nach dem Spiel mit der Lust und der Lust am Spiel. Eine ausgefeilte Tanzsprache pflegt ihr Ensemble dabei nicht, das Bewegungsmaterial ist relativ mager und letztlich öde, ebenso wie die penetranten Industrial-Techno-Bässe, die in ständiger Repetition aus den Boxen dröhnen und die Performance schnell zu einer akustischen Qual machen. Doch der eigentliche Tanz spielt sich ohnehin nicht auf der Bühne ab. Sondern in den Köpfen der Zuschauer. Hingucken oder nicht, wenn die Tänzerinnen ihre Beine spreizen oder sich in Koitus-Bewegungen verlustieren? Wie reagieren, wenn sich Männer in Frauen verwandeln und diese wiederum in Zerrbilder ihrer selbst, mit ausgestopften Brüsten und aufgeplusterten Hintern, irgendwelche angeblichen Schönheitsideale karikierend und sich damit selbst der Begierde-Maschine überlassend, die Bachzetsis in Anlehnung an Gilles Deluze und Félix Guatarri postuliert? Wer im Publikum erwischt sich nicht irgendwann dabei, automatisch in Stereotypen zu denken, in Ästhetiken und in vorgekauten Idealen? Die Blicke aus der Menge sind die eigentlichen Protagonisten. Leider treffen sie nicht auf Figuren, die besagte Klischees aufbrechen und dekonstruieren, sondern sie vielmehr bedienen. Somit läuft „Escape Art“ trotz einer durchaus spannenden Grundkonzeption letztlich ins Leere.
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