Crossroads: Ein Prinz findet den Soul

Derart hohen Besuch hat der Rockpalast in seiner 45-jährigen Geschichte wahrscheinlich noch nie gehabt: Bei der aktuellen Ausgabe des viertägigen WDR Crossroads-Festivals, das alle sechs Monate in der Harmonie aufgezeichnet wird, stand am vergangenen Mittwoch mit J.P. Bimeni ein Künstler auf der Bühne, der den Titel „Soul-Prinz“ nicht nur ehrenhalber trägt. Immerhin ist der 41-Jährige Mitglied der Königsfamilie von Burundi – und zugleich jemand, der erst durch die Musik zu sich selber fand. Mit einer Stimme, die immer wieder zu Recht mit der von Otis Redding verglichen wird, die weich ist und zugleich kantig, stürzt er sich mit der spanischen Band The Black Belts in Soul-Kompositionen im besten Motown-Stil und setzt so einen Gegenpol zu seiner eigenen Geschichte, in der mehr Dunkelheit verborgen ist, als viele sich vorstellen können.

Bimenis unschuldige Kindheit endete 1993 mit dem Beginn des Bürgerkriegs in seiner Heimat. Der Konflikt zwischen den Hutu und den Tutsi gilt als einer der blutigsten Konflikte Afrikas, Hunderttausende wurden in einem Genozid ermordet. Bimeni selbst überlebte erst ein Massaker an seiner Schule, später einen Attentat, bei dem er mit schweren Schussverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Dort versuchte ein Arzt ihn zu vergiften – wie sich später herausstellte, stand Birmenis Name auf einer Todesliste. Mit Hilfe der UNO konnte er nach Großbritannien flüchten, begann zu studieren und fand den Soul, in den er unglaublich tief einzudringen versteht. Allerdings ist die Musik für Bimeni kein Ventil, um den Schmerz zu verarbeiten, sondern vielmehr eine Befreiung.„Wir können uns nicht nur die ganze Zeit mit unserem Schmerz und unseren Problemen beschäftigen“, sagt er. „Wir müssen sie auch verbannen und den Leerraum füllen, in dem es vorher nur Schmerz, Sorge und Panik gab“. Ja, textlich verarbeitet er seine Geschichte durchaus, doch der druckvolle Sound, den er zusammen mit seiner Band erschafft, strotzt vielmehr vor Lebensfreude. Ausgelassen tanzt er über die Bühne, lacht und singt, mit seinem Charisma das Publikum begeisternd, das sich von dieser Energie nur zu gerne anstecken lässt.

Im Vorfeld hatten Mo Lowda & The Humble nicht alle in der Harmonie derart überzeugen können. An dem psychedelisch angehauchte Indie-Rock des Trios aus Philadelphia, der ein bisschen an die Kings of Leon erinnert, schieden sich die Geister: Was auf die einen planlos wirkte, akzeptierten die anderen als den Versuch, sich von der Musik treiben zu lassen. Das Zusammenspiel war auf jeden Fall nicht immer perfekt, was allerdings auch daran gelegen haben könnte, dass Bassist Jeff Lucci nach einem Unfall ein paar Tage zuvor sitzen musste und sich kurzerhand einen Synthesizer geschnappt hatte, statt zu seinem bewährten Instrument zu greifen. Dass die zahlreichen Stilistiken keinem erkennbaren Ziel folgten, die Band immer wieder überraschend die Richtung wechselte und das Publikum so zwangsläufig die Orientierung verlor, spielte für den ambivalenten Empfang durch das Publikum sicherlich ebenfalls eine Rolle.


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