Alin Coen und Max Prosa: Zerbrechlichkeit trifft Poesie

Wer lyrische Lieder liebt, also solche abseits des radiotauglichen Neo-Schlager-Pop-Gedudels, kommt an Alin Coen und Max Prosa nicht vorbei. Erwachsen aus den Kreativzonen des Internets, in denen mit minimalem Aufwand wunderbar nachdenkliche, mitunter kritische und immer poetische Songperlen entstehen, haben sich die beiden Musiker im Laufe der Jahre eine kleine, aber feine Fan-Basis zusammengesammelt, die mehr möchte als Feuerwerk, Wolke-7-Schmelz und Reise-Metaphern. Die charmante 37-Jährige, die man ob ihrer scheinbar so zerbrechlichen Stimme unweigerlich vor allem Übel beschützen möchte, und der Lockenkopf mit dem Impetus eines jungen Bob Dylan sind sich dabei schon des öfteren über den Weg gelaufen. Nur einen gemeinsamen Auftritt haben sie noch nicht realisiert. Bis jetzt.

Auf Einladung des Popcamps, an dem sie beide einst teilgenommen haben, sind Coen und Prosa nun in die ausverkaufte Harmonie gekommen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Ein Traumkonzert für Liedermacher-Liebhaber. Und vielleicht nur der Anfang von einer äußerst fruchtbaren Kooperation.

Dabei läuft es ja ganz gut bei beiden, auch allein. Max Prosa erfreut sich mit seinen Gedichten und Kurzgeschichten, die bei ihm genau so gut zu Liedern werden können, wachsender Beliebtheit, auch wenn sein Vortragsstil für den ein oder anderen etwas gewöhnungsbedürftig ist. Die kratzige Stimme und der ihm eigene Singsang können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Max Prosa ein begnadeter Lyriker ist, ein Meister des Worts und ein großartiger Erzähler. Mal hat er „Visionen von Marie“, dann wieder gedenkt er einem „Herbstmärchen“; doch immer schwebt er himmelwärts, ist er ein Traumtänzer ohne Höhenangst, der mit geschriebenen Schwingen verbale Loopings schlägt und das Publikum damit unweigerlich in seinen Bann zieht. Zumindest jenen Teil, der nicht permanent quatscht.

Auch Alin Coen ist eine Poetin, allerdings eine mit einer klareren Sprache. Sie experimentiert lieber mit der Musik, wird mal poppig, lässt ihre beiden Bandkollegen an E-Gitarre und Schlagzeug auch mal etwas lauter werden und greift bei den beiden englischen Titeln „Disconnected“ und „High Expectations“ sogar auf Elektronika zurück. Am stärksten ist sie jedoch dann, wenn sie sich auf ihre Wurzeln besinnt und sich reduziert. Nur sie, ihre Gitarre und ein Titel wie „Andere Hände“, inspiriert durch den Brief einer Mutter, die ihr Neugeborenes in einer Babyklappe aussetzte. Es ist der mit Abstand bewegendste Moment des Abends. Dieses Lied geht unter die Haut, mehr noch als alles, was Coen und Prosa am Ende gemeinsam präsentieren. Die kommen allerdings direkt danach. „So lang ich darf“ etwa, ohnehin eine Koproduktion der beiden. Und zum Schluss „Halleluja“ in einer Prosa-Übersetzung, dargeboten mitten im Publikum, unplugged und ganz gefühlvoll. So schön kann deutsches Liedermachertum sein. Man muss nur hinhören. Und zuhören.


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