Die Zeit hat Gilbert O'Sullivan nichts anhaben können. Na ja, zumindest nicht viel. Ein paar Falten sind hinzugekommen, zugegeben, aber der Wuschelkopf des irischen Barden ist noch genau so voluminös wie damals in den 70ern, als er vorübergehend auf Augenhöhe mit Elton John und Cat Stevens spielte und mit weichen Balladen und zartem Schmelz die Charts stürmte. Auch die Stimme klingt wie eh und je, ein ätherisch-lyrischer Tenor ohne Ecken und Kanten, ein Traumtänzer-Organ, das noch immer über eine tänzerische Leichtigkeit verfügt. Im Kern hat sich somit nichts verändert, zumal O'Sullivan sich treu geblieben ist und jegliche Mode-Erscheinung ignorierte. Auch heute klingen seine Songs noch wie vor 50 Jahren. Nun hat das Singer-Songwriter-Urgestein im Beueler Brückenforum anlässlich seines Bühnenjubiläums die großen Hits und die kleinen Preziosen Revue passieren lassen und so ganz nebenbei auch noch neues Material präsentiert.
In gewisser Weise sind O'Sullivans Lieder inzwischen Anachronismen. Heutzutage geht es mehr um Sounds, ein Umstand, den der 73-Jährige in Interviews auch gerne moniert. Für ihn stehen stattdessen
die Melodien im Mittelpunkt seines Schaffens, die er denn auch ganz reduziert zum Besten gibt. Auf seine Band hat er neuen Jahre nach seiner letzten Deutschland-Tournee ganz bewusst verzichtet,
hat lediglich Gitarrist Bill Shanley an seiner Seite und sitzt selbst an einem Keyboard, das genau so in die Jahre gekommen ist wie sein Besitzer. Alles ist mit einer nostalgischen Patina
überzogen, einem Schimmer des Gestrigen, den man ohne weiteres hätte beseitigen können. Ein paar neue, schmissige Arrangements, ein paar innovative Sounds – ach, da war ja was. Eine derartige
Modernisierung wäre O'Sullivan ohnehin nicht gerecht geworden. Er braucht diese ungewöhnliche Verklärtheit, so als ob die Songs gleichzeitig in der Vergangenheit stecken geblieben und aus der
Zeit gefallen wären, ohne sich um die Gegenwart zu scheren oder gar um die Zukunft.
Dem Publikum ist das nur recht. Oder egal. Die Alleinunterhalter-Rhythmen aus den Tiefen des Keyboard-Speichers und das hüpfende Akkord-Spiel O'Sullivans wird konsequent ausgeblendet, der
Schlager-Charakter von Mitsing-Nummern wie „Where Peaceful Waters Flow“ gefeiert und die neuen Songs des inzwischen 19. Studioalbums dank der unveränderlichen Stilistik mühelos akzeptiert. Nur
selten kommen neue Klangfarben hinzu, psychedelische Flötenklänge etwa oder ein paar Country-Anleihen. In der Regel bleibt O'Sullivan stattdessen bei dem, was schon immer funktioniert hat, bei
weichgezeichneten Pastell-Melodien in minimalistischem Singer-Songwriter-Pop-Gewand. Das kommt an, nicht zuletzt dank der charismatischen Stimme des Iren, der dabei oft einen charmant-verträumten
Blick in die Menge schwenken lässt und dann wieder in sich hineinzuschauen scheint. Zwischendurch erzählt er dann ein paar kleinere Anekdoten, etwa von einem Auftritt in Australien, bei dem das
Publikum nach der Hälfte des Konzerts den Saal verließ, weil es nichts von einer Pause wusste, oder von seinen Bemühungen, als Linkshänder in den 70ern die richtige Gitarre zu finden. Zugegeben,
das alles ist genaustens einstudiert, schon bei anderen Konzerten hat er diese Geschichten zum Besten gegeben. Das Publikum freut sich dennoch, lacht mit O'Sullivan und akzeptiert am Ende auch,
dass das Konzert nach den großen Hits „Alone Again“, „Matrimony“ und „Get Down“ endet und auf Zugaben verzichtet wird. Irgendwann muss eben Schluss sein mit der Nostalgie. Außer für Gilbert
O'Sullivan, der auch im kommenden Jahr wieder unterwegs sein wird. Mit den selben Songs und den selben Sounds. Zeitlos eben.
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Marc Deimel (Donnerstag, 25 April 2019 16:50)
Ein ziemlich gräusliches Konzert, um ehrlich zu sein. Die Stimme mittlerweile doch schon brüchig und dann die immergleiche Akkord-Begleitung mit der immergleichen Keyboardeinstellung für kitschige 80-er Jahre Sounds. Vielleicht wäre es mit kompletter Band erträglicher gewesen. So aber zerstört der Mann seinen Mythos. Sehr schade.