Augen zu, Ohren auf und einfach genießen: So lautet die Prämisse der „Blind Audition“, die nun erstmals im Bonner Pantheon stattgefunden hat. Das Format, das in Köln bereits seit Jahren große Erfolge feiert und nun erstmals die Domstadt verlassen hat, blendet das Visuelle ganz bewusst aus, gestattet keine große Performance oder Bühnen-Show, mit der viele Pop-Stars meisterhaft zu blenden verstehen. Was zählt, ist die Stimme. Und sonst nichts. Wie auch? Immerhin findet das Konzert mit vier dem Publikum unbekannten Sängern in völliger Dunkelheit statt. Zu sehen gibt es also nichts, zu hören dafür um so mehr. Und das lohnt sich. Sehr sogar.
Die Fokussierung auf den Klang ist schon ein besonderes Erlebnis, und zwar für alle Beteiligten. Immerhin ist nicht nur das Publikum blind, auch die Band sieht nichts außer ein paar weißen Noten
auf schwarzem Grund, die in speziellen Boxen mit roten LEDs angebracht sind. Tasten und Saiten liegen aber im Dunkeln, Blicke zu den Mitmusikern etwa bei Soli laufen ins Leere. Eine
Herausforderung, der sich die Band bei jeder Aufgabe aufs Neue stellt. Für das Publikum ist es derweil ungewohnt, das Geschehen auf der Bühne nicht verfolgen zu können, keinen Orientierungspunkt
zu haben und auch niemanden, der mit natürlichem Charisma und anderen Rampensau-Qualitäten die Stimmung zum Sieden bringt. Doch innerhalb von Sekunden ist klar: Die braucht es auch nicht, wenn
die Stimme gut ist.
Mehr bekommt man zunächst von den Künstlern nicht mit. Gestaltlos sind sie, kryptisch, enigmatisch. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – sind sie überaus faszinierend und sorgen mühelos
für Begeisterung im Saal. Amin Afify, der schon bei „The Voice of Germany“ teilgenommen hat, punktet mit „Fallin'“ und dem Ed-Sheeran-Cover „I See Fire“, kraftvoll, dynamisch und mit einer guten
Dosis Soul die Songs interpretierend. Singer-Songwriter Dan O'Clock greift derweil ausschließlich zu Eigenkompositionen, die irgendwo zwischen Pop, Reggae und Swing liegen und vor allem für einen
lauen Frühlings- oder Sommerabend ideal sind. Severin von Rose, sonst Mitglied des a-cappella-Quartetts „Männersache“, klingt am Anfang ein wenig bemüht, steigert sich aber bis zu dem von ihm
geschriebenen und hervorragend arrangierten „Egal Wohin“ enorm. Und dann wäre da noch Wallace Water: Ein Mann mit einem vollen, wuchtigen Organ, der bei „Who Wants To Live Forever“ zwar auch die
leisen Töne trifft, am besten aber immer dann ist, wenn er ein bisschen dreckiger sein darf, ein wenig kantiger, rauer, rockiger. So wie bei der Disturbed-Version von „Sound of Silence“, die
Water mit einer herausragenden Intensität versieht. Klasse.
Vier Stücke hat jeder der Künstler am Ende interpretiert, unterstützt von starken Instrumentalisten und zwei exzellenten Background-Sängerinnen. Erst kurz vor den letzten Nummern geht das Licht
an, so dass das Publikum erstmals sieht, wer sie da beglückt hat. Als ob das jetzt noch wichtig wäre. Spannend ist hingegen, wie nun versucht wird, Stimme und Erscheinung miteinander in Einklang
zu bringen. Wer ist wer? Eine gute Frage. Am Ende kommen 61 Menschen auf die richtige Lösung, etwa 20 Prozent im Saal. Der Rest ist verwirrt, aber glücklich. Das Experiment „Blind Audition“ war
insofern ein voller Erfolg und soll daher in einem halben Jahr wiederholt werden. Am 31. Oktober, pünktlich zu Halloween, soll im Pantheon die nächste Ausgabe laufen, mit neuen Stimmen und neuen
Überraschungen. Das sollte man sich nicht entgehen lassen. Also Augen zu und rein.
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