Auch Lebensmittel lieben es, sich über Gott und die Welt zu unterhalten. Bratwürste zum Beispiel. Oder Schweinefilets, die zum Ballettunterricht gehen wollen. Oder Pampelmusen mit einem Apfelsinen-Tatoo. Nur weil der Mensch sie gerne verzehrt, können sie doch auch etwas zu sagen haben. Klappt bei Tieren schließlich auch ganz gut. Also verleiht Funny van Dannen ihnen allen eine Stimme, begleitet den Sahne-Hering beim Zoo-Besuch und die Krähe bei der Jagd, verfasst Tier- und Obst- und Fleisch-Fabeln in rauen Mengen und lässt ab und zu auch Menschen zu Wort kommen, die mindestens genau so seltsam sind wie die anderen Protagonisten seiner Geschichten. Insofern könnte eine Lesung des Autors und Liedermachers grundsätzlich überaus amüsant sein. Wenn der 61-Jährige nur seine Texte mit Leben füllen würde. Und mit Schwung.
Bei einem Auftritt im Pantheon fehlt jedoch genau das. Funny van Dannen trägt nicht vor, er leiert herunter, verzichtet nahezu vollständig auf Dynamik und Rhythmus, auf Spannung und Energie und
Leidenschaft. Für einen Autor ist das schwach, für einen Musiker eigentlich untragbar. Wären da nicht zum einen die Treue der Fan-Basis zu dem Kult-Liedermacher, dessen Stücke unter anderem durch
die Toten Hosen, Wiglaf Droste und Udo Lindenberg berühmt wurden, und zum anderen die absurd-philosophischen Diskurse, die van Dannen seinen Nahrungsmitteln in die nicht vorhandenen Münder und
den Tieren in die Schnabel und Mäuler legt, würde die Veranstaltung kollabieren. Auch so ist die Enttäuschung spürbar, zumal einige Besucher offenbar nicht realisiert hatten, dass es sich nicht
um ein Konzert handelt. Warum auch immer. Schließlich hat Funny van Dannen im Oktober vergangenen Jahres parallel zu seinem neuen Buch „Die weitreichenden Folgen des Fleischkonsums“ auch das
Album „Alles gut, Motherfucker“ veröffentlicht, so dass zumindest eine Kombination aus Lesung und Musik denkbar gewesen wäre. Doch letztere wird konsequent ignoriert. Die Melodie hat an diesem
Abend keinen Platz im Pantheon. Traurig.
So müssen also die Geschichten reichen, die Funny van Dannen mit einem Glas Wein neben sich wie am Fließband verliest. Deutlich wird, dass er seine Texte nur selten nachbearbeitet. „Impuls-Prosa“
nennt er das gerne, ein Euphemismus für ein mangelndes Interesse an geschliffener, formvollendeter Sprache. Manche Texte wirken so unvorteilhaft platt, banal in ihrer Ausfomung, pathetisch in der
Aussage. Andererseits kann man Funny van Dannen nicht vorwerfen, dass er hinter der Maske der Groteske nicht auch überaus ernste Überlegungen anstellt. Und so manches, wie etwa das Gespräch
zweier Uhren über ihr Verhältnis zur Zeit, ist konzeptionell durchaus brillant. Doch wirklich gut wird Funny van Dannen immer dann, wenn er die Absurdität zur Seite legt und für einen kurzen
Moment der Melancholie frönt. Wenn er ernst wird, leise, zärtlich, wenn er wispert und das volle Potenzial seiner Stimme ausnutzt. Das jedoch macht er nur selten. Aus Selbstschutz, behauptet er.
„Ich will nicht wie Dylan Thomas enden, der seinen Schwermut im Alkohol ertränkte und früh starb.“ So wie die Besten. Andererseits nimmt Funny van Dannen das Argument sogleich wieder zurück. „Aus
dem Alter bin ich ja längst raus.“ Womit denn auch alles gesagt wäre.
Kommentar schreiben