Jazzfest 2019: Eigenwillige Klanggewalt

Die Brotfabrik ist seit jeher ein Ort, an dem das Jazzfest regelmäßig die Grenzen von Harmonie und Wohlklang überschreitet und das Tor zu experimentellen Klangwelten weit aufstößt. Wer sich also nach Beuel wagt, muss sich auf einiges gefasst machen – so auch in diesem Jahr. Krachende Gitarren, wabernde Bass-Wolken, asynchrone Polyrhythmen und ein quietschendes Saxofon haben am vergangenen Montag so manche Hörgewohnheiten auf die Probe gestellt und das Organisationsteam sogar dazu veranlasst, am Eingang segensreiche Ohrstöpsel zu verteilen. Natürlich nur wegen der Lautstärke. Alles andere gilt schließlich als Kunst. Auch wenn die Übergänge zum Krach zumindest teilweise fließend waren.

Tatsächlich erwiesen sich die beiden Formationen, die Jazzfest-Intendant Peter Materna eingeladen hatte, als durchaus eigenwillig. Schon Jo, das Quartett des Schlagzeugers Jo Beyer, verweigerte sich kategorisch jeder Einordnung, während es überaus vertrackte Kompositionen mit spielerischer Freiheit zu füllen versuchte. Dabei rasten die Instrumente mitunter nur haarscharf aneinander vorbei und schufen so Dissonanzen, die eher unterschwellig als offenkundig zu hören waren. Insbesondere Saxofonist Sven Decker verabschiedete sich dabei gerne mal von der Tonalität und dekonstruierte fröhlich die fein durchschimmernden Melodien, während Beyer bei dem Versuch, das gesamte Potenzial seines Schlagwerks auszuloten, die Strukturen aufzulösen begann, zumal kein Bass als Ruhepol agierte. So driftete das Quartett permanent in abstrakte, unkonkrete Sphären ab, nur um doch immer wieder irgendwo einen Anker zu finden, in einem brillanten Solo etwa oder in einer herrlich kristallinen Phrase.

So sehr die Eskapaden von Jo das auch Publikum forderten, Jean-Paul Bourelly setzte noch einen drauf. Der Gitarrist, der den avantgardistischen Anspruch eines Frank Zappa mit der Technik eines Jimi Hendrix und der Freiheit eines Miles Davis zu kombinieren versucht, war vor allem eins: laut. Ein filigraner Magier, der kleine Skizzen mit feinen Pinselstrichen in die Musik überträgt, ist der 59-Jährige nicht; vielmehr ist er ein Steinmetz mit der brachialen Gewalt eines Vorschlaghammers, den er ohne Zweifel meisterhaft beherrscht, mit dem er aber sehr viel Staub aufwirbelt. Und der war in diesem Fall nicht allzu heilsam für die Gehörgänge, zumal Bourelly nicht nur seine siebensaitige Gitarre bis zum Exzess bediente, sondern auch gerne mal irgendwelche Wortbrocken ins Mikro schrie, während Bassist Daryl Taylor die von ihm erzeugten pulsierenden Tiefdruckgebiete ähnlich nachdrücklich in den Saal entließ. Dennoch konnte das Publikum dem donnernden, dröhnenden Spiel des Trios einiges abgewinnen und applaudierte mit einem Enthusiasmus, der dem Bourellys in etwa entsprochen haben dürfte.


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