Jazzfest 2019: Musik zwischen Kopf und Herz

Jazz hat viele Gesichter. Auf der einen Seite kann man diese Musik nur mit unbändiger Leidenschaft machen, auf der anderen besteht auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen immer die Möglichkeit, zu abgedreht zu wirken, zu aufgesetzt, zu verkopft. Wie leicht das Hirn das Herz übertrumpft, hat das Jazzfest-Konzert im Volksbankhaus gezeigt – und auch, wie es anders gehen kann. Denn während sich das Damen-Vokalquartett Of Cabbages and Kings zumindest in ihren Gedichtvertonungen eher an den bemüht komplexen Arrangements der zeitgenössischen klassischen Musik orientierte und dadurch selbst vor Gefühlen triefende Shakespeare-Sonette trockenlegte, setzten der einstige Weather-Report-Bassist Miroslav Vitouš und sein Landsmann Emil Viklický am Klavier mit poetisch-verträumtem Spiel Maßstäbe.

Dabei sind die vier jungen Damen, die sich zumindest zu drei Vierteln beim Bundesjazzorchester gefunden haben, ohne Zweifel exzellente Sängerinnen. In dem Verlangen, ernst genommen zu werden und sich vom gängigen Vokal-Pop abzuheben, tauchten sie aber immer wieder in abstrakte Klang-Collagen ein, die mehr Performance als Konzert sind und den vertonten Gedichten in ihrer lyrischen Pracht oft nicht gerecht wurden. Wenn die sprachliche Eleganz und Schönheit von Erich Kästner, Hannah Arendt oder eben Shakespeare musikalisch permanent gebrochen und zerstückelt wird, wenn Liebe und Lust zu sterilen Begriffen mutieren, bleibt die Kunst letztlich unbeseelt. Schade, zumal Laura Totenhagen und ihre Mitstreiterinnen so viel mehr können, wie sich bei Liedern wie „Sewee Sewee“ oder „Do not as I do“ zeigte. Die Lieder stammen dann eben nicht aus ihrer Feder. Aber sie klingen toll.

Dem gegenüber stand das kongeniale Duo Vitouš und Viklický, zwei alte Hasen der tschechischen Jazz-Szene mit einem erstaunlichen Gefühl für Melodien. Ersterer gilt ohnehin als Ausnahme-Bassist, der sein Instrument mühelos erwecken kann und zum Singen bringt – aber sein Kompagnon stand ihm bei dem gemeinsamen Konzert im Volksbankhaus in dieser Hinsicht in nichts nach. Eleganz tanzte er über die Tasten, hielt sich aber immer wieder zurück, um Vitouš glänzen zu lassen, und spielte eben die zweite Geige. Beide ergänzten sich dabei auf ganz besondere Weise: Vitouš, auch im Solo technisch exzellent, bedurfte eines leichtfüßigen Kollegen mit klanglicher Strahlkraft, und Viklický eines Ankers, der zugleich dafür sorgte, dass die Stücke nicht zu romantisierend wurden. Hat funktioniert. Großer Applaus.


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