Ein Rave in der Oper? Eigentlich undenkbar. Subkultur im Tempel der Hochkultur, wummernde Bässe und eine tanzende Menge statt schmetternder Tenöre und sterbender Schwäne – das passt doch nicht zusammen. Es sei denn, man findet die richtigen Künstler. So wie die Jazzrausch Bigband, die im Rahmen des Bonner Jazzfests den Opernsaal mühelos in einen Clubraum verwandelt und mit wuchtigen Beats versieht, die keinen kalt lassen. Schnell stehen jung und alt in den Reihen und tanzen, die 70-jährigen Jazzliebhaber ebenso wie die 20-jährigen Techno-Fans, alle im Taumel einer kollektiven Ekstase, hypnotisiert von dumpfen Rhythmen und schneidigen Bläsern. So geht Party. So geht ein Rausch.
Zuvor hatte niemand geringerer als Manu Katché genau das selbe zu erreichen versucht. Der Star-Schlagzeuger, der als einer der besten und versiertesten Vertreter seiner Zunft gilt und von Musikern wie Sting, Tori Amos oder Peter Gabriel immer wieder gerne engagiert wird, war ohne Zweifel der Künstler, wegen dem alle gekommen waren. Er, der Tänzer unter den Drummern, der jeden Stil beherrscht und mit einem bemerkenswerten Gespür für Melodien mehr aus seinem Instrument herauszuholen vermag als viele seiner Kollegen – so jemanden konnte man sich nicht entgehen lassen. Doch obwohl der 60-Jährige seine enorme Bandbreite bei der Präsentation seines neue Albums „The Scope“ immer wieder unter Beweis stellte, blieb er doch hinter den Erwartungen zurück. Gut, Katché muss niemandem mehr etwas beweisen und bezeichnet nicht ohne Grund „The Scope“ weniger als Demonstration denn als großen Spaß, doch das Publikum hatte sich eigentlich mehr erhofft als eine Mischung aus Lounge-Musik und Dancefloor-Pop, bei der Katché nur selten ins Rampenlicht rückte. Wenn er es tat, dann mit Verve und Energie – oft genug verharrte der charmante Mann hinter den Drums aber in generischen Patterns, während seine junge Band mit allerlei Elektronika und leider auch mit diversen Halbplaybacks den Rest übernahm. Letzteres war dann auch das größte Ärgernis, spielten Katché und seine Mitmusiker ansonsten doch zumindest souverän und druckvoll, vor allem bei den rockigeren Stücken, bei denen dann auch Katché eine prominentere Rolle hatte und zeigen konnte, warum er so einen guten Ruf besitzt.
Tanzen wollte bei Manu Katché allerdings niemand, auch wenn dieser das Publikum explizit dazu aufforderte. Dafür muss erst die Jazzrausch Bigband die Bühne betreten. Das Münchener Kollektiv gibt von der ersten Sekunde an Vollgas, wagt mit ihrer Musik den Brückenschlag zwischen dem oft als elitär und verkopft verstandenen Jazz und dem treibendem Techno – und gewinnt. Die Stücke, fast ausschließlich aus der Feder von „Komponiermaschine“ Leonhard Kuhn, lassen selbst jene nicht stillsitzen, die normalerweise mit dem elektronischen Bum-Bum-Bum von Trance und House nichts anzufangen wissen. Mit den packenden und technisch noch etwas anspruchsvolleren Arrangements der Hamburger Band Meute kann die Jazzrausch Bigband zwar noch nicht ganz mithalten, doch sprühen ihre Mitglieder vor Leidenschaft, sind selbst ständig in Bewegung, feiern ihre Musik ebenso wie das Publikum und wirken dadurch einfach ungeheuer sympathisch und authentisch. Wer so spielt, darf auch Manu Katché in den Schatten stellen. Und eine Oper in einen Techno-Club verwandeln.
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