Tears for Fears: Rückkehr in die 80er

Es gibt Erfahrungen, die einen ein Leben lang verfolgen. Selbst wenn man mit ihnen abgeschlossen zu haben glaubt, werden sie doch immer wieder aus der Mottenkiste der Erinnerung hervorgekramt, wahlweise von einem selbst oder von anderen. Tears for Fears haben sich mit diesem Phänomen längst arrangiert: Die britische New-Wave-Band, die am vergangenen Freitag mit einem umjubelten Konzert in den Bonner Rheinauen die KunstRasen-Saison 2019 eröffnet hat, legt nur allzu gerne immer wieder ihr Innerstes offen, um das Publikum zu begeistern, so wie schon 1983 mit ihrem Debüt-Album „The Hurting“.

Damals hatte Roland Orzabal Songs geschrieben, in denen er einige schwierige Situationen aus seiner Kindheit verarbeitete und die einer ganzen Generation aus der Seele sprachen. Stücke über die schönen Träume vom Sterben und den höllischen Hass auf die Eltern, die auch heute noch ankommen, auch wenn sie inzwischen (irgendwie paradox) durch die Hörer nostalgisch verklärt und zum Soundtrack der eigenen Jugend erklärt werden. In der Gronau tauchten rund 5500 Besucher auf diese Weise in die Vergangenheit ein, genossen die Musik von Orzabal und seinem Partner Curt Smith, feierten die teils psychologisch und teils gesellschaftskritisch motivierten Lieder und letztlich den ersten Höhepunkt einer eindrucksvoll besetzten Open-Air-Reihe.

Tears for Fears lieferten aber auch von der ersten Sekunde an ab. Mit „Everybody Wants To Rule The World“, einem ihrer größten Erfolge, starteten sie ihr 90-Minuten-Konzert, in dem ein Hit den nächsten jagte. Die Menge genießt das, wahrscheinlich mehr als Orzabal und Smith selbst, die sich irgendwann entfremdet haben, zeitweilig fast zehn Jahre nicht miteinander sprachen und inzwischen eine Art Zweckgemeinschaft bilden. Freunde werden sie wohl nicht mehr, so scheint es: Die Mikrofone der beiden stehen nur ein paar Meter voneinander entfernt, dennoch vermeiden Orzabal und Smith jeden überflüssigen Kontakt, laufen lieber aneinander vorbei als aufeinander zu und stehen nur ganz selten eng beisammen. Die Qualität der Musik leidet allerdings nicht darunter: Noch immer sind die Songs von Tears for Fears schmerzlich schön, getragen von wuchtigen Gitarren, einem feinen Synthi-Sound und dem hohen Gesang Smiths. Nur manchmal wirkt die Darbietung ein bisschen künstlich, vor allem bei „Mad World“, was aber vielleicht auch daran liegen mag, dass die deutlich melancholischere, entschleunigte Coverversion von Michael Andrews und Gary Jules weitaus präsenter ist als das Original. Dagegen gewinnt das Konzert gegen Ende durch das stärkere Einbeziehen von Background-Sängerin Carina Round, die vor allem bei „Woman in Chains“ brilliert – und durch „Shout“, die einzige Zugabe, die sich das Publikum mit lang anhaltendem Applaus erklatscht.

Die Zeitreise zurück in die 80er nahm übrigens schon vor Tears for Fears ihren Anfang. Im Vorfeld sorgte immerhin niemand geringeres als Kim Wilde für Stimmung. Die einstige Pop-Prinzessin jener Ära hat sich zwar ziemlich verändert, zwingt ihren stämmigen Körper inzwischen lieber in Rock-Outfits und lässt es auch musikalisch ordentlich krachen, konnte das Publikum aber nichts desto trotz auch mit einigen neueren Songs überzeugen. Dennoch waren es die Klassiker, die für die größte Euphorie sorgten, „Cambodia“ zum Beispiel, das Supremes-Cover „You Keep Me Hangin' On“ und natürlich „Kids in America“. Darauf konnten Tears for Fears später aufbauen und damit dem KunstRasen einen Auftakt nach Maß bescheren.


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