Blasmusik ist wieder in. Zumindest, wenn sie das volkstümelnde Stadl-Getue überwindet, sich weltoffen zeigt und eine Party-Garantie gibt. Querbeat und LaBrassBanda haben im vergangenen Jahr mit einem phänomenalen Konzert auf dem KunstRasen vorgemacht, wie hervorragend es funktioniert, wenn Bigbands und Marschkapellen sich mit Reggae, Funk und elektronischer Musik anreichern. Jetzt haben die Veranstalter des beliebten Open-Air-Geländes in den Rheinauen das Konzept ausgeweitet, eine Blech-Flatrate ins Programm aufgenommen und mit „Sound of Heimat“ ein Brass-Festival der besonderen Art installiert. Ein Ansatz, der ankam – zumindest als die Schatten länger wurden.
Schon um die Mittagszeit eröffneten die Bonner Senkrechtstarter von Druckluft den blechernen Reigen. Die Formation, die genauso wie Querbeat ihre Wurzeln im Kardinal-Frings-Gymnasium hat, ist mit ihrer immensen Spielfreude und den ausgelassenen Medleys aus Schlagern, Pop und kölschem Liedgut in der vergangenen Karnevals-Saison durch die Decke geschossen. Auf dem KunstRasen hatten sie es aber zunächst schwer, das ohnehin überschaubare Publikum zu animieren. Zu heiß war es, vor allem vor der Bühne, wo die Sonne unbarmherzig brannte. Andererseits waren Druckluft einfach zu motiviert, um lange stillhalten zu können. Etwas träger wirkte dagegen die Rosenheimer Hip-Hop-Brass-Formation Kreuzwort, die vom Sound her ein bisschen an Culcha Candela erinnerte, jedoch zumindest an diesem Tag weder über die Bühnenpräsenz der Berliner noch über deren einprägsame Hooklines zu verfügen.
Nachdem dann das Kellerkommando frei nach dem Motto „Volksmusik war immer Popmusik“ Dub und Dancehall mit althergebrachten fränkischen Texten aus Großvaters Zeiten kombiniert und mit dieser ungewöhnlichen Mischung zu gleichen Teilen für Verwirrung und Begeisterung gesorgt hatte, kamen mit Cat Ballou und Kasalla zwei Bands in die Rheinauen, die man in der Region eigentlich nicht länger vorstellen muss. Ob während oder außerhalb der fünften Jahreszeit, mit den beiden Bands ist Stimmung garantiert. Vor allem Kasalla nutzte die Gunst der Stunde, um die immer größer werdende Menge einzugrooven und ein wenig Lokalpatriotismus („Stadt mit K“) mit interkulturellem Zusammenhalt („Mer sin eins“) zu kombinieren. Die Präsenz der Band ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben – nicht ohne Grund gehören Kasalla längst zur Speerspitze des Kölschpops.
Als schließlich mit LaBrassBanda eine der Inspirationsquellen für „Sound of Heimat“ die Bühne betrat, gab es endgültig kein Halten mehr. Gut 3500 Besucher ließen sich von dem Alpen-Techno der barfüßigen Combo um Frontmann Stefan Dettl bereitwillig in die Ekstase führen. Letzterer feuerte wie gewohnt eine tiefbairische Phrase nach der anderen ab, verbale Hochgeschwindigkeitsgeschosse, die man zwar wahrnahm, aber nicht wirklich verstand. War aber auch egal. Dem Publikum war ohnehin eher nach Rausch und Gaudi, und beides bekamen sie von den Chiemgauern im Überfluss. Dettl gab dazu den Animateur, ließ die Menge wild über den Rasen schwofen und brachte sie sogar dazu, sich in Bass-Joga zu üben. Verrückt, aber im positiven Sinne. So stand am Ende allen Anwesenden die pure Freude ins Gesicht geschrieben, während alle Bands noch einmal zu einer kollektiven Tanzeinlage und einem abschließenden „Hey Jude“ auf die Bühne kamen. Ein starkes Finale, das alle Erwartungen mehr als erfüllte. Für das kommende Jahr ist daher auch eine Wiederholung von „Sound of Heimat“ geplant, mit etwas anderen Schwerpunkten, aber sicherlich mit genau so viel Begeisterung.
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