Die rund 4000 Menschen auf dem KunstRasen sind glücklich. Wieder mal. Natürlich. Immerhin sind sie alle Lieblingsmenschen, dürfen sich alle angesprochen fühlen von Sängerin Namika und später von Max Giesinger, der dem eingeläuteten Kuschelkurs nur zu gerne folgt. Alles toll hier, so nett und so schön und so entspannt. Und in weiten Teilen so belanglos. Denn während Namika im Vorfeld ab und zu noch tief blicken lässt und vor allem mit den Songs ihres aktuellen Albums „Que Walou“ für den ein oder anderen Gänsehautmoment sorgt, verharrt Giesinger als Inkarnation des wohlig-weichen Mainstram-Pops sowohl inhaltlich als auch emotional an der Oberfläche. Nichts wird jemals konkret, erst recht nicht die Musik aus der Krabbelkiste der Singer-Songwriter-Floskeln.
Gefällige Klänge mit gekünstelten Rock-Passagen für all jene, die in erster Linie Harmonie und Ruhe wollen, die keine Reibung suchen und keine Ecken und Kanten. Auf dem KunstRasen wird ihnen all
das geboten – und die Besucher greifen freudestrahlend zu.
Dabei macht Max Giesinger es seinen Fans durchaus leicht, ihn zu mögen. Vor drei Jahren, so erinnert er sich direkt zu Beginn seines Konzerts, hat er noch das Vorprogramm von Sarah Connor in Bonn
gestaltet, jetzt füllt er selbst die große Bühne. Dafür ist er dankbar, klettert schon bei "Legenden" (und später bei einem Akustik-Set auch mit der gesamten Band) ins Publikum, begrüßt neue und
alte Gesichter und gibt sich volksnah. Das kommt an. Immer wieder generiert sich der 30-Jährige als einer, der bodenständig geblieben ist und authentisch – was für ihn allerdings heißt, sich
seine Texte aus den Poesiealben der ganzen Welt zusammenzuklauben und zwischendurch wie schon bei "The Voice of Germany"-Zeiten ein paar Coversongs zu präsentieren, so als hätte er selbst nichts
von Relevanz zu sagen. Kritik an diesem zweidimensionalen Ooohh-oh-oh-oh-oh-Singsang perlt derweil an dem Teflon-Musiker ab: Sogar Jan Böhmermanns bitterböse Abrechnung mit dem „heile-Welt-Getue
ohne echte Message“ des gebürtigen Waldbronners vor zwei Jahren hatte keine Auswirkungen für den Sänger, abgesehen von einem bis heute anhaltenden Interesse an Giesinger und seinem aktuellen
Album „Die Reise“, das er auf dem KunstRasen etwa zur Hälfte präsentiert. Wäre es eine andere Platte gewesen, es hätte wahrscheinlich niemanden gestört. Zumindest nicht, so lange „Wenn sie tanzt“
und „80 Millionen“ erklingen.
Im Vorfeld hatte Namika gezeigt, dass es auch anders gehen kann. Die 29-Jährige sorgte durchaus für sommerlich-entspannte Vibes, reicherte diese aber immer wieder mit substanziellen Verse an, die
zart gerappt und mit leichtem Singsang verziert aus den Boxen schallten. Im Gegensatz zu manch anderen Hip-Hop-Kolleginnen kehrte Namika dabei immer in den sicheren Hafen des radiotauglichen
Mainstreams zurück, wagte sich aber zumindest vorübergehend in tiefere Gewässer; und anders als Max Giesinger hinterfragte die charismatische junge Dame sich und ihre Kunst und begab sich auf
Identitätssuche. Im Titeltrack ihres neuen Albums „Que Walou“ reflektierte sie ihre eigene Geschichte, in „Ahmed (1960 – 2002)“ die ihres Vaters. Auf dem KunstRasen berührten diese beiden Songs
mehr als alles, was ab 20 Uhr über das Gelände tönt, und auch wenn natürlich irgendwann „Lieblingsmensch“ erklang und damit den Weg für unschuldigen Gute-Laune-Pop bereitete, hat Namika doch
eindrucksvoll bewiesen, dass sie durchaus gereift ist. Gleiches gilt übrigens für die Bad Godesberger Singer-Songwriterin Cynthia Nikschas, die den Abend schon um 17.30 Uhr eröffnete.
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