Eine klare Haltung, gute Laune und ganz viel Gefühl: All das kann man BAP einfach nicht absprechen. Seit nunmehr 40 Jahren bereisen die Kölschrocker die Republik, nachdem 1979 das erste Album „Wolfgang Niedecken's BAP rockt andere kölsche Leeder“ erschien, und immer schon haben sie es verstanden, sowohl Klartext zu reden als auch poetische Alltagsgeschichten zu erzählen. Ob es um die Liebe oder um Europa geht, um die Zweisamkeit oder um das gesellschaftliche Miteinander, stets hat die Band den richtigen Ton und die richtigen Worte gefunden. Auf dem KunstRasen, wo sie ihre aktuelle „Live & Deutlich“-Tour beenden, drehen Niedecken und Konsorten in ihrer aufwendigen Kulisse noch einmal so richtig auf, lassen es an nichts fehlen und feiern mit den rund 8000 Fans gut drei Stunden lang ein Finale der Extraklasse, das Lebensfreude und ernste Botschaften mühelos vereint.
Die Besucher haben es sich aber auch verdient: Aufgrund der Sperrung der Reuterstraße wegen Gleisarbeiten an den Linien 61 und 62, die ausgerechnet am letzten KunstRasen-Wochenende stattfinden,
war die Anfahrt weitaus mühsamer als gewöhnlich. Als dann aber die ersten Songs bei traumhaftem Wetter über die Gronau schallen, der „Waschsalon“ beschworen und der Wahnsinn des „Psycho-Rodeos“
kritisiert werden, breitet sich schnell die gewohnte lokalpatriotische Seligkeit aus, die zu einem Semi-Heimspiel von BAP einfach dazugehört. Dabei gewinnen die Stücke durch eine dreiköpfige
Bläser-Combo um den starken Saxofonisten Axel Müller, die Niedecken bei „Sing meinen Song“ kennengelernt hat, noch einmal an Volumen und Tiefe, ein schöner Kontrast zum Geigenspiel von Anne de
Wolff, die bereits seit einigen Jahren fester Bestandteil der Band ist und immer wieder (etwa bei "Rita") fantastische Akzente zu setzen vermag. Dazu rocken der wieder genesene Werner Kopal am
Bass, Gitarrist Ulrich Rode und die anderen BAP-Nasen genüsslich einen Hit nach dem anderen, kraftvoll und energiegeladen, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Klasse.
Im Mittelpunkt steht aber natürlich der in Plauderlaune befindliche Niedecken selbst, Kopf, Seele und Herz von BAP. Er ist es, der nicht nur Frauen mit mehr oder weniger kurzen Namen umgarnt oder
mit feinen Reggae-Rhythmen einen Paragraphen des kölschen Grundgesetz vertont („Et ess wie't ess“), sondern auch immer wieder Position bezieht und sich nachdrücklich gegen Rechtspopulismus und
Fremdenhass ausspricht. Ob mit Klassikern wie dem leider immer noch nicht überflüssigen „Kristallnaach“, mit „Arsch huh“ oder mit neueren Titeln wie „Absurdistan“ (dem ersten Hochdeutsch-Versuch
Niedeckens) und der mit einer Verbeugung vor Kapitänin Rackete eingeläuteten „Vision vun Europa“ meldet er sich zu Wort und versucht, das Publikum nicht nur zum Mitsingen, sondern auch zum
Verinnerlichen dieser Zeilen zu bewegen. Schließlich gilt es, Haltung nicht nur zu zeigen, sondern sie auch zu bewahren.
Das Bonner Publikum erweist sich dabei als überaus textsicher, ob nun Klassiker wie "rut-wieß-blau querjestriefte Frau" oder neue Titel wie "Dausende vun Liebesleeder" angestimmt werden.
Allerdings reichen selbst zwei Stunden Hauptprogramm und zahlreiche Zugaben nicht aus, um alle Hits von BAP zu spielen. Wäre auch übertrieben. Nur an „Verdamp lang her“ kommt die Band nicht
vorbei – und muss zugleich versprechen, möglichst bald wieder auf den KunstRasen zu kommen. Wenn es nach Wolfgang Niedecken geht, sollte das kein Problem sein. Denn aufhören wollen BAP noch lange
nicht. Gut so. Ihre Musik wird schließlich gebraucht. Und ihr Rückgrat auch.
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