Jacob Karlzon Trio: Tänzer auf den Wellen

Das Meer hat schon immer eine besondere Anziehungskraft auf Jacob Karlzon ausgeübt. Der schwedische Jazz-Pianist liebt das unbeständige Element, liebt die Ruhe des Ozeans und zugleich die darunter liegende Kraft. Beides hat er in seiner neuen CD „Open Water“ adaptiert, die er jetzt im Rahmen eines Jazzfest-Extended-Konzerts im Haus der Geschichte vorgestellt hat. Es ist ein bemerkenswerter, anregender Auftritt, der erste einer Deutschlandtournee, der auch Karlzon und sein Trio gewissen Unwägbarkeiten aussetzt. „Wir sind selber sehr gespannt, was mit der Musik auf unserer Reise passieren wird“, sagt Karlzon. Zumindest in Bonn lautet die Antwort: Sie wächst, sie stürmt, sie verändert. Und sie begeistert.

Karlzon und seine Kollegen Morten Ramsbøl (Bass) und Rasmus Kihlberg (Drums) geben den neuen Stücken alle Freiheiten, überlassen sich ganz den vielschichtigen Melodien, die mitunter ruhig wirken und die sich dann einer Urgewalt gleich auftürmen und das Publikum zu überwältigen drohen. Die dezente Zurückhaltung des Albums ist live endgültig passé – so mutiert etwa das ursprünglich locker swingende „Motion Picture“ zu einem recht wuchtigen, rhythmisch vertrackten Werk, bei dem Karlzon wie ein Wirbelwind über die Tasten jagt und sich dabei von nichts und niemandem stoppen lässt. Und auch „Slave to Grace“ mit seinem druckvollen Schlagzeug-Intro führt Musiker und Zuhörer gleichermaßen in raue Gewässer. Um so schöner ist es dann, wenn das Tempo ein wenig zurückgenommen wird und der Groove nicht zur Flaute, wohl aber zur sanften Brise wird, so wie das entspannte „How It Ends“, das erfreulicherweise nicht den Schluss des Abends signalisiert. Sondern vielmehr auf einen zweiten Höhepunkt hinweist.

Natürlich kann eine Jazzfest-Veranstaltung nicht nur aus einem Konzert bestehen. Für diese Sonderausgabe haben sich Peter Materna und sein Team daher mit Luciano Biondini und Andreas Schaerer ein Dreamteam eingeladen, dass schon mehrfach in Bonn das Auditorium verzückt hat. Ersterer ein Meister auf dem Akkordeon, der virtuos über die Tasten huscht und dabei mitunter so wirkt, als würde er träumen; und Letzterer ein Stimmkünstler, bei dem Genie und Wahnsinn Hand in Hand gehen. Was Schaerer macht, ist in etwa so weit vom Gesang entfernt wie der Mond von der Erde: Er zwitschert und kreischt, jauchzt und jubelt, trillert und pfeift, kurzum er tönt wie ein ganzes Orchester, dabei immer wieder Höhen erreichend, die sonst Countertenören vorbehalten sind. Stets improvisiert er, zum Teil sogar im Chor mit sich selbst – jeder andere braucht dafür eine Loop Machine, Schaerer nur seine Stimmbänder. Wie Karlzon auch ist Schaerer ein Wellenreiter und Meerestänzer, einer, der sich der Musik überlässt und doch immer an der Oberfläche bleibt, egal wie tief sich der Abgrund unter ihm öffnet. Und Biondini? Macht fröhlich mit und ist gleichzeitig das Boot des Sängers, der sichere Halt im Auge des Sturms. Was für ein Erlebnis. Besser kann Jazz kaum sein. Insofern ist die Vorfreude auf das Jazzfest 2020 nur noch weiter gewachsen. Mission erfüllt.


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