Ein bisschen Bildung hat noch niemandem geschadet. Und Selbstbewusstsein erst recht nicht. Auch wenn beides mitunter nicht so leicht zu erlangen ist. Zum Glück gibt es Frauen wie Frieda Braun, die diese Mängel mit ihren ganz eigenen Mitteln zu beheben versuchen. Die kauzige Sauerländerin mit den mühsam zusammengedrömmelten Haarknoten und ihrem gelb gemusterten Kostüm, das vermutlich aus den sterblichen Überresten einer von der Urgroßmutter geerbten und inzwischen zunächst verblichenen und dann verschiedenen Gardine zusammengenäht wurde, sieht in ihrer heimischen Dorfgemeinschaft schließlich täglich, was ansonsten passieren kann.
Also hat sie mit ihrer elfköpfigen Splittergruppe der Frauengemeinschaft ein Weiterbildungsprogramm ins Leben gerufen, bei dem die seltsamen Gestalten aus dem eigenen Bekanntenkreis als Dozenten auftreten, ihre auch nach der Pensionierung andauernde Arbeitswut kanalisieren können und gleichzeitig mal aus dem Haus kommen. Im Haus der Springmaus macht Braun nun Werbung in eigener Sache – und sucht zugleich nach der Schönheit in jedem einzelnen.
Es ist schon eine ziemlich schrullige Gesellschaft, die Frieda Braun alias Karin Berkenkopf in ihrem aktuellen Solo „Rolle vorwärts“ vorstellt und in ihr ambitioniertes Projekt einbindet, auch um
die ein oder andere Beziehung zu retten, die durch eine unzureichende Auslastung von mindestens einem der Partner belastet ist. Feuerwehrmann Otto zum Beispiel will weiterhin von Nutzen sein,
treibt es dabei aber so weit, dass selbst der Urlaub nach der InterSchutz ausgerichtet wird und nicht nach den Wünschen seiner Gattin. Erika wiederum verzweifelt an ihrem Werner, der sich als
ärztlich anerkannter „Pflegmatiker“ von der ehemaligen Krankenschwester umsorgen lässt, ihr aber dadurch auch jegliches Mitgefühl geraubt hat. Und dann wären da noch Bernd und Carola, die sich
getrennt haben, nachdem er sich unter „Denk-mal-Schutz“ hat stellen lassen, während sie sich zuerst weiter- und schließlich von ihrem Mann fort bildete. Früher wäre so etwas undenkbar gewesen:
„Die Frau war ja so dermaßen ungebildet. Deswegen hat sie auch gar nicht gemerkt, dass der Mann dümmer war als sie“, weiß Frieda Braun.
Gut zwei Stunden referiert Frieda Braun so über das heimische Umfeld, plaudert genüsslich aus dem Nähkästchen und spickt ihre Aussagen dabei mit einer Wortspielerei nach der nächsten. Die
Pointendichte ist hoch, die Treffsicherheit noch höher, zumal die versierte Kabarettistin ein hervorragendes Gespür fürs Timing hat und auch bei der ein oder anderen Abschweifung stets
rechtzeitig wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Die teils unterschwellige, teils aber auch recht deutliche Gesellschaftskritik wird derweil nicht überreizt und mischt sich mit gnadenlos
satirischen Überzeichnungen und der wahrscheinlich besten Form der Selbstoptimierung. „Stellt euch mal heute Abend vor den Spiegel und sagt laut: 'Ich bin schön'. Der Körper wehrt sich zunächst
dagegen, aber es hilft.“ Zumindest manchen. Und ansonsten ist Einbildung schließlich auch eine Bildung.
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