Flic Flac ist anders. Unangepasst, rebellisch, eigenwillig. Alles, nur nicht gewöhnlich. Seit 30 Jahren pflegt der Zirkus aus Bocholt sein Image des Auffangbeckens für Freaks und Außenseiter, die Außergewöhnliches zu leisten im Stande sind. In der Arena dominieren die harten Typen, kantige, dreckige und mitunter skurrile Gestalten in abgerissenen Klamotten, die auf Adrenalin stehen, auf Energie und auf deftigen Rock. Nun ist Flic Flac mit seiner atemberaubenden Jubiläumsshow „Punxxx“ unterwegs und sorgt derzeit in Bonn für ungläubige Gesichter im Widerschein der Elemente. Denn was die Artisten auf dem Gelände an der Dottendorfer Straße präsentieren, setzt selbst in der Varieté-, Zirkus- und Kleinkunst-verwöhnten Bundesstadt Maßstäbe.
Schon bei der Eröffnung feuert Flic Flac aus allen Rohren. Während im Rund das punkige Ensemble seine Aufwartung macht, fliegen über den Köpfen die Stuntmen der Mad Flying Bikes von einem Ende
des Zelts zum anderen und vollführen ein waghalsiges Manöver nach dem nächsten. Ein Einstand mit Vollgas, der beim Publikum Eindruck macht und der hervorragend zu dem industriellen,
post-apokalyptischen Stil der Show passt. Mad Max lässt grüßen. Später werden sich auch noch die acht Helldrivers in die als „Globe of Speed“ bekannte Stahlkugel stecken lassen, um in der
Konstruktion mit seinen gerade einmal fünf Metern ihre Runden zu drehen, so dass sich erneut der Geruch von Benzin und qualmenden Reifen in die Luft legt. Und auch Antipoden-Artistin Romy
Meggiolaro bedient sich der Biker- Atmosphäre, bevor sie sich, für ihre Kunst überaus ungewöhnlich, sogar in die Lüfte erhebt und nur von einem Seil gehalten unter dem Zeltdach ihre kleinen
Teppiche rotieren lässt.
Herausragend wird „Punxxx“ allerdings durch das herausragende Licht-Design, die temporeiche Choreographie und die Einbeziehung von Feuer, Luft und Wasser. Vor allem das letztgenannte Element
lässt immer wieder spektakuläre Bilder entstehen und stellt die Akrobaten zugleich vor ganz besondere Herausforderungen. So zeigen sowohl die sinnliche Pole-Künstlerin Olha Peresada als auch das
fantastische Strapaten-Duo Julia Galenchyk und Dmytro Turkeev ihr Können im künstlichen Regen, ohne sich von den rutschigen Flächen und dem strömenden Nass irritieren zu lassen. Und auch die
beiden Meerjungfrauen Alina und Alisa setzen sich in einer riesigen Schale mit dem Wasser auseinander, tauchen immer wieder hinein und verbiegen sich dann am Rand mit einer bemerkenswerten
Mischung aus Kraft und Eleganz.
Derweil turnt Alex Michael direkt unter dem Zeltdach ganz ohne Netz und doppelten Boden am Trapez, während der Inder Sandeep Kale an dem teil frei schwingenden und teils fest installierten
Mallakhamb-Pfahl die Verbindung zwischen Luft und Erde herstellt. Für den Höhepunkt sorgen schließlich die Holy Warriors der China-National-Akrobatik-Truppe, die mühelos durch zahlreiche
rotierende Reifen mit zum Teil gerade einmal 60 Zentimeter Durchmesser springen – einer der Ringe hängt sogar in vier Metern Höhe und damit weit jenseits herkömmlicher Hochsprung-Rekorde.
Angesichts all dieser Höchstleistungen, die dem Publikum immer wieder den Atem nehmen, darf natürlich ein Gegenpol nicht fehlen. Mit der Guerilla-Comedy von David Eriksson hat Flic Flac dabei den
perfekten Punk-Clown gefunden, eine grotesken, aber nie peinliche Gestalt, die ein wenig an eine jüngere Version von Fester Adams erinnert und mindestens ebenso verrückt ist wie die Filmfigur.
Mal spielt er mit einer Barbie-Puppe, dann wieder lässt er sich mit Obst bewerfen und weiß sich doch stets an den richtigen Momenten zurückzunehmen. Er passt einfach perfekt ins Konzept, im
Gegenteil zu Dustin Nicolodi alias Der große Coperlin, der bereits in einer nach ihm benannten GOP-Show mit seinen absurden Tricks und Spielereien im Mittelpunkt stand. So unterhaltsam seine
Nummer bei Flic Flac auch ist, wirkt der sympathische Komiker in seinem Rüschenhemd doch ein wenig fehl am Platz inmitten des von Rock und Punk geprägten Programms. Die Menge liebt ihn aber, so
wie sie sich ohnehin vor Jubel kaum auf den Sitzen halten kann. Am Ende gibt es daher auch verdiente stehende Ovationen für eine unglaublich starke Show, die sich jeder Zirkus-Liebhaber nicht
entgehen lassen sollte.
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