Die Freude an der Musik ist spürbar, die Lust am Auftritt und an der Interaktion mit dem Publikum. Authentisch wirkt es, ehrlich, so wie Jessy Martens auf der Bühne der Harmonie singt und tanzt, röhrt und säuselt. Einfach nur mechanisch ein Konzert nach Schema F abliefern, professionell aber distanziert, das würde irgendwie nicht zu der 32-Jährigen passen, die nach einer Baby-Pause jetzt wieder durchstarten will. Schließlich hat sie einen Ruf zu verteidigen. 2012 hat sie immerhin sowohl den Deutschen Rockpreis als auch den German Blues Award abstauben können, letzteren zwei Jahre später erneut, ebenso wie den Sieg bei der German Blues Challenge. Da muss man doch dran anknüpfen können. Das aktuelle Album „Tricky Thing“ soll der Hamburgerin Auftrieb geben, das und ihre liebenswerte Art. Ein Plan, der mitunter wunderbar funktioniert – zumindest wenn Martens die Sau rauslässt.
Stimmlich ist Jessy Martens immer noch eine Wucht, auch wenn sie zumindest am Anfang des Konzerts mit ihrer Brille ein bisschen an Nana Mouskouri erinnert. Wenn sie dem Blues huldigt und ihr
Organ jenen leicht kratzigen, rauen Ton annimmt, den große Sängerinnen wie Amy Winehouse oder Janis Joplin berühmt gemacht haben, versteht man, warum sie vor einigen Jahren so hofiert und geehrt
wurde. „Treat Me Like A Woman“ ist so eine Nummer, oder auch das hypnotische „Fire“, das Martens in die Dunkelheit hineinsingt und das eine weichere, geschmeidigere Stimme fordert, die dennoch im
richtigen Moment explodieren kann. Es ist ein Balanceakt. Und nicht immer gelingt er. Einige Stücke kommen etwas zu seicht daher, sind eher Ausdruck eines mäßigen Singer-Songwritertums als eines
erstklassigen Bluesrocks, sind zu brav, zu nett, zu banal. Schunkelmusik, bei der man nur darauf wartet, dass die Band auf der Bühne wieder etwas mehr Kante zeigt. Was auch zwangsläufig
irgendwann gelingt.
Das Publikum ist dennoch ganz auf der Seite von Jessy Martens, die mit ihrer offenen Art von der ersten Sekunde an punkten kann. Mal erzählt sie einen Kalauer, dann wieder verzweifelt sie beim
Akustik-Set an einem Barhocker. „Ich versuche gar nicht mehr, mich sexy auf den Stuhl zu setzen – ich bin jetzt nur noch cool“, sagt sie. Cool und bestens gelaunt. Kein Wunder, dass das Publikum
alles mitmacht, begeistert tanzt und sich auch beim Call-and-Response-Spiel nicht zurückhält. Eine Dame ist sogar so laut, dass sie die Aufmerksamkeit von Jessy Martens erregt. Die gibt
kurzerhand ihr Mikro ab, holt die Frau auf die Bühne, lässt sie dort etwas improvisieren und schaut begeistert zu, wie ihr jemand für einen Moment die Show stiehlt. Klasse. Das zeugt von Größe.
Und macht auch jene zu Fans, die es bislang vielleicht noch nicht waren. Wenn es nach der Menge im Saal geht, darf, nein muss Jessy Martens bald wiederkommen. Und abrocken. Dann aber möglichst
ohne jegliche Zurückhaltung. Wäre schön.
Kommentar schreiben