Piet Klocke ist und bleibt der Meister des Anakoluths. Nur selten finden seine Gedanken einen Abschluss, seine Sätze erst recht nicht – und seine Programme ebenso wenig. Manche Bausteine trägt der 62-Jährige nun schon seit fast einer Dekade mit sich herum, ohne sie auch nur ansatzweise umzugestalten oder zu aktualisieren. Die Pointe ist noch gut, für's Publikum reicht's allemal. Doch ohne ein Ende kann es keinen neuen Anfang geben. Und so erweist sich auch „Kann ich mal einen Satz zu Ende“ (Titel eines Klocke-Buchs von 2010) im Pantheon nicht etwa als Neuheit, sondern lediglich als Fusion von Inhalten aus zwei vorhergehenden Programmen. Ein Kunstgriff, könnte man wohlwollend sagen, eine Umkehrung des Anakoluths auf großer Flur, wird doch aus dem Unvollendeten das Unbegonnene. Tatsächlich ist es ein Betrug am Publikum. Auch wenn dieses ihn nicht bemerkt. Oder sich nicht drum kümmert.
Wie schon vor drei Jahren greift Klocke zunächst auf Auszüge aus seiner „Wlancholischen Rhapsodie“ zurück, einer Sammlung aus Aphorismen, Gedichten und Essays ohne sichtbaren roten Faden. Alles
ist Fragment, eine Collage aus Splittern eines träumenden, kreativ spinnenden Geistes, der sich diese „Mind-Map“ ebenso erschließt wie der Comic-Held Arzach auf seinem Flugsaurier die surrealen
Landschaften seiner Welt. Die Figur des französischen Zeichners Jean Giraud alias Moebius dient gewissermaßen als Alter Ego Klockes, ein Ausdruck seines Unterbewusstseins, das nach Poesie und
Schönheit inmitten der Absurdität sucht. Und sie auch manchmal findet. Zumindest, wenn er seine Sprunghaftigkeit ein wenig zügeln kann, für mehr als nur einen Moment an einem Ort oder bei einem
Gedanken verweilt und seinen Beobachtungen einen gewissen Bezugspunkt gibt, erschafft Klocke feingeistig-pointierte Texte, etwa über das pulsierende Leben in der Pariser Metro. Doch nur selten
gelingt es ihm, seine Gedanken derart zu fokussieren. Das kostet Kraft, und genau die fehlt. Vor allem die erste Hälfte bleibt seltsam energiearm, zumal Klocke auf das sonst übliche wilde
Gestikulieren verzichtet und auch keine Musik im Gepäck hat, mit der er früher gerne mal für ein bisschen Abwechslung sorgte.
Nach der Pause ist der Rotschopf wacher, freier, entspannter, agiert vermehrt so, wie ihn das Publikum seit Jahren kennt. Kein Wunder: Seine Auslassungen über die fehlerhaften Designs der
Evolution, die unter anderem die Qualle und die aerodynamisch nachweisbar unqualifizierte Hummel in die Produktionskette des Lebens eingebracht hat, hat Piet Klocke schon so oft auf der Bühne
heruntergeleiert, dass er diese Nummer wahrscheinlich auch im Schlaf spielen könnte. Gleiches gilt für seinen Exkurs in die Vergangenheit der Geschlechterrollen, als die Männer noch fröhlich zum
Kreuzzug gingen und die Frau zu Hause schalten und walten ließen. Dumm nur, wenn sie in der Ferne ihr Leben ließen und die Gattin nun irgendwie aus der eisernen Unterwäsche herauskommen musste,
in die ihr Gemahl sie einst geschweißt hatte. Diese Bilder, die Klocke dabei vor dem geistigen Auge entstehen lässt, nur um sie im entscheidenden Moment unvollendet zu lassen und dem Publikum
stattdessen den Pinsel in die Hand drückt, gehören ohne Zweifel zu den Klassikern des Wirrkopfs und sorgen immer wieder aufs Neue für Gelächter. Doch irgendwann müssen selbst die ältesten Zöpfe
ab, um Platz für Neues zu machen. Die nötige Kreativität sollte Piet Klocke doch im Überfluss besitzen. Er müsste sie nur von der Kette lassen. Auf zu neuen Welten. Das wäre doch mal ein
Abenteuer. Und nicht länger ein Etikettenschwindel.
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