Seit 15 Jahren rollt sie durchs Land, immer in etwa zur gleichen Zeit, auf einer Tour im Dienste des Zwölftakters: Die Blues Caravan von Ruf Records ist längst eine Tradition mit Kultfaktor, die doch immer wieder anders ist. Und immer wieder aufregend. Jede Inkarnation wartet mit neuen Talenten auf, mit Künstlern voller Energie und Leidenschaft, die mit etwas Glück und ein wenig Zeit im Rampenlicht auch in Deutschland durchstarten zu können. Ana Popovic hat so ihr Publikum gefunden, ebenso wie Big Daddy Wilson oder Ina Forsman; jetzt wollen drei weitere Musiker zeigen, was sie so können. Ryan Perry, Whitney Shay und Jeremiah Johnson haben sich derzeit der Karawane angeschlossen, um zu zeigen, was sie können. Und um zu merken, was ihnen fehlt.
Einer der großen Vorteile der Blues Caravan besteht darin, dass Künstler zusammenarbeiten können, um sich gegenseitig zu ergänzen und mehr zu werden als die Summe der einzelnen Teile. Man muss es nur wollen. In der Harmonie haben Perry und Shay diese Chance ergriffen – und beide davon profitiert. Auf der einen Seite der Ausnahme-Gitarrist mit dem Zwölftakter im Blut, der als Teenager zusammen mit seinen Geschwistern Instrumente aus alten Autoteilen gebaut hat und ein exzellenter, aber introvertierter Solist ist; und auf der anderen Seite ein Rotschopf mit Sprengkraft, die von der ersten Sekunde an Vollgas gibt und das Publikum mit souligem Organ und gutem alten Rock 'n Roll mühelos um den kleinen Finger wickelt, dafür aber zwingend auf gute Musiker hinter und neben ihr angewiesen ist. Gemeinsam sind Perry und Shay eine Wucht, und mit dem ewigen Karawanen-Bassisten Roger Inniss und der herrlich präzisen Drummerin Amanda Dal haben sie noch weitere Unterstützung von Rang. So toben die vier sich aus, sind Feuer und Flamme, und auch wenn die ein oder andere Komposition noch ein wenig mehr Profil hätte vertragen können, bringt das Quartett doch die Menge dank ihrer Spielfreude immer wieder aufs Neue zum Toben.
Das gelingt Jeremiah Johnson dagegen nicht so ohne weiteres. Der 47-Jährige muss im Rahmen der Tour auf die Bläser verzichten, die er sonst an seiner Seite hat, und die definieren Johnsons Sound ebenso sehr wie ein mehrstimmiger Background-Gesang. Doch anstatt seine Kollegen einzubinden, die zumindest letzteres beisteuern könnten, versucht Johnson lieber den Alleingang und macht es sich damit unnötig schwer. Dabei steht außer Frage, dass er ein virtuoser Gitarrist ist, der sein Herz in den Saiten trägt – aber eben nicht auf der Zunge. Vor allem zu Beginn der zweiten Hälfte wirkt sein Gesang fad, zumal Johnson sich auch noch zwei recht brave Titel ausgesucht hat, statt sofort in die Vollen zu gehen. Dabei hätte gerade er wissen müssen, was von ihm erwartet wird. Immerhin hat er im vergangenen Jahr im Vorprogramm von Mike Zito gespielt, auch in Bonn. Der ein oder andere im Saal ist extra seinetwegen gekommen, doch die nötige Energie und den passenden Sound kann der Mann aus St. Louis zumindest an diesem Abend nicht so recht aufbringen. Erst kurz vor Ende seines Solo-Sets findet er seine Form, gerade noch rechtzeitig um zu beweisen, dass er mit seinem erdigen Southern Rock durchaus ins Schwarze treffen kann. Geht doch. Auch deswegen hat sich die Blues Caravan wieder gelohnt, und erst recht für die Darbietungen von Ryan Perry und Whitney Shay, die man hoffentlich nicht zum letzten Mal auf deutschen Bühnen gesehen hat.
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