Vier Monate Abstinenz – für einen Bühnenkünstler wie Fatih Cevikkollu ist das eine halbe Ewigkeit. Der einstige Prix-Pantheon-Gewinner von 2006 braucht das Publikum, braucht die Bestätigung und den Applaus der Menge wie die Luft zum Atmen. Und so ist es für ihn schon ein besonderer Moment, als er endlich wieder auf dem Gelände der Beueler Werkstätten und des Pantheons auftreten darf. Auch wenn es im Rahmen des Autotheaters nur vor PKW ist. Gut, PKW mit Menschen darin, immerhin. Trotzdem ist es eine seltsame Situation, vor allem für jemanden, der auf den Kontakt zu seinen Fans angewiesen ist und der in seinem Programm „Fatih Morgana“ immer wieder Fragen in Richtung der Menge stellt. Doch statt sich an die neuen Begebenheiten anzupassen, bohrt Cevikkollu nach, fordert Antworten gerade zu ein – und scheitert.
Dabei hat Cevikkollu durchaus einiges zu vermitteln. Wie wichtig die Kultur ist, die mehr Leute ins Theater lockt als Fußball die Fans ins Stadion; wie schnell die Gesellschaft ihre Vorbehalte
gegen eine Verschleierung ablegt, wenn dies gesundheitlich opportun erscheint; und welche philosophischen Fragen im Laufe einer immer stärkeren Digitalisierung auf die Menschheit zukommen.
Insbesondere die rasante Entwicklung der Computertechnik hat es dem 47-Jährigen angetan. Doch leider greift er dabei so tief in die Kiste mit den Klischees, dass es nicht mehr lustig ist. Sondern
nur noch banal. Wenn er unbedingt meint, einem 18-jährigen digitalen Eingeborenen Wählscheiben und Telefonzellen erklären zu müssen und sich darüber echauffiert, dass ältere Menschen auch mal
nach dem WLAN-Kabel suchen, wenn er das Unwissen in beiden Generationen verlacht und sich selbst als aufgeklärte Instanz generiert, wirkt der Auftritt eher peinlich als clever, zumal seine Opfer
hinter den Windschutzscheiben nun überhaupt keine Chance mehr haben, sich gegen diese Instrumentalisierung zu wehren. Dabei hätte Cevikkollu das überhaupt nicht nötig, kann er doch mit seinen
Gedanken zu nur scheinbar futuristischen Forschungsvorhaben (inklusive der Speicherung eines menschlichen Geistes in einem Computer) so viel mehr erreichen als mit dem Vorführen seiner
Gäste.
Dennoch bleibt Cevikkollu seinem Konzept treu, bittet immer wieder um Handzeichen und muss doch ein ums andere Mal feststellen, dass das nicht so ganz klappt, ebenso wenig wie kollektives Singen.
„Freude schöner Götterfunken“ will er erschallen lassen, warum auch immer. Klappt nicht. Wie auch, wenn man höchstens die Begleitung auf dem Beifahrersitz hört und ausgerechnet der Künstler auf
der Bühne schweigt, statt Töne und Rhythmus vorzugeben. Dennoch erhält Cevikkollu nach etwa 75 Minuten die von ihm eingeführte besondere Art des Applauses: Ein lautes Öffnen und Schließen der
Autotüren, ein paar höfliche Kiemenklatscher für Fatih. Immerhin.
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