Das hätte sich Ludwig van Beethoven sicherlich nie träumen lassen: Ausgerechnet ihm, dem großen Klassiker, wird 250 Jahre nach seiner Geburt eine ganz besondere Zirkus-Oper zugeschrieben, voller Akrobatik und Clownerie, aber auch voller zukunftsweisender Klänge und eingängiger Melodien, die frappierend an die Musik gewisser Pilzköpfe und rockender Royals erinnern. Schon ein wenig seltsam, zumal auch das Libretto eher an Ingo Insterburg denn an den angeblichen Verfasser Johann Wolfgang von Goethe erinnert. Andererseits, wer will schon etwas gegen den (fiktiven) Jahrhundertfund anführen, der 2019 auf einem chinesischen Flohmarkt gemacht wurde und mit dessen Uraufführung das Bonner GOP Varieté-Theater nach der viermonatigen Corona-Zwangspause nun wieder zu Weltruhm gelangen will. Immerhin soll die Gaukelei Spaß machen, und das in einer schweren Zeit. Was auch durchaus gelingt. Zumindest wenn man den Kopf ausschaltet.
Eine zumindest ansatzweise poetische Handlung kann man bei „Beethovens verschollenes Werk“ wahrlich nicht erwarten. Regisseur Markus Pabst, der bereits mit „Kawumm“ seiner Leidenschaft für
assoziatives Spiel gefrönt hat, setzt stattdessen auf Klischees und alberne Wortspiele, die so einen bemüht konstruierten Rahmen schaffen, in dem alles möglich ist. Natürlich alles nur Satire,
könnte man sagen, vielleicht sogar ganz bewusst plump gestaltet. Oder man ignoriert den Mann mit der Klopapier-Perücke einfach und erfreut sich an den schönen Dingen des Abends. An der Musik zum
Beispiel, die der schrille Jack Woodhead mit so viel Liebe zum Detail gestaltet, dass selbst der ein oder andere falsche Ton nicht weiter stört. Oder an den Darbietungen des französischen
Collectif A4, die allerlei Akrobatik beisteuern und dabei auch Nummern zeigen, die sonst nur sehr selten auf Varieté-Bühnen zu sehen sind. Mal tanzt ein Mann mit einem Rhönrad, dann wieder kommen
Fächer und Peitsche zum Einsatz, und auch die Jonglage- oder die Pole-Acts sind überaus eindrucksvoll choreographiert. Atemberaubend ist auch der Beitrag von Solo-Künstler Tim Kriegler, der an
den Strapaten eine tolle Figur macht, ja mehr noch, sich auf Weltklasse-Niveau präsentiert. Und dann wäre da noch Anthony Venisse. Schon bei der GOP-Eröffnungsshow „Plüfoli“ vor nunmehr drei
Jahren war der kanadische Clown mit seiner kindlichen Begeisterung der Publikumsliebling, und auch in „Beethovens verschollenes Werk“ stellt er sowohl den großen Komponisten (Woodhead) als auch
den Dichterfürsten (Pabst) mühelos in den Schatten. Ja, mit dem Titel der Show haben seine Auftritte nichts mehr zu tun. Aber das ist gar nicht weiter schlimm.
90 Minuten dauert die Show, ohne Pause – eine Neuerung im GOP und natürlich den Corona-Hygienebestimmungen geschuldet, für den Spannungsverlauf allerdings von Vorteil. Auch andere Neuerungen
stören nicht weiter, so wie die Plexiglaswände zwischen den einzelnen Ebenen des treppenförmigen Saals, die die Sicht so gut wie gar nicht beeinträchtigen und zugleich einen veritablen Schutz
gegen den Virus bilden. Die besondere Atmosphäre des GOP bleibt so weitgehend erhalten – wer die Optik und die Musik von „Beethovens verschollenem Werk“ also auf sich wirken lassen möchte, kann
dies entspannt tun. Das Programm läuft noch bis zum 1. November exklusiv im GOP Varieté-Theater Bonn. Vorstellungen sind immer Donnerstags und Freitags um 20 Uhr, Samstags um 16 und um 20 Uhr
sowie Sonntags um 14 und um 17 Uhr. Karten ab 34 Euro erhalten Sie bei allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie unter www.rz-tickets.de.
Kommentar schreiben