Manche Menschen kommen schon auf verrückte Ideen. Gurkenwasser gegen Glatteis, Strumpfhosen aus Chinaschilffasern, Burger aus Insektenmehl oder Schränke voller Moos zur Feinstaub-Bekämpfung. Klingt alles seltsam, ist aber wirksam. Und nachhaltig. Die genannten Beispiele entspringen dem großen Feld der Bio-Ökonomie, die im Mittelpunkt des Wissenschaftsjahres 2020 steht und eine Abkehr von fossilen Ressourcen fordert. Nun haben sich die beiden Kabarettisten Michael Müller und Susanne Pätzold diesem Thema gewidmet. Im Haus der Springmaus haben sie nun die Premiere des kostenlosen, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Programms „Wer im Treibhaus sitzt“ gefeiert, mit vielen Informationen – und letztlich auch mit vielen Pointen.
Müller und Pätzold kennen sich schon lange. Beide haben im Springmaus-Improvisationstheater angefangen, beide waren später bei der erfolgreichen Satireshow „Switch“, beide lieben Sketche. Umso
seltsamer ist es, dass sie diese Leidenschaft zumindest im ersten Teil des Abends kaum ausleben, sondern als bemüht unterhaltende Moderatoren zwischen verschiedenen Video-Einspielern und einem
zähen Quiz eher enttäuschen. Keine Frage, interessant sind die gezeigten Beiträge schon, doch das halbgare Geplänkel zwischen den beiden Bühnenprofis kann nicht so recht zünden. Doch dann kommt
der erste Sketch – und alles wird besser.
Nach der Pause drehen Müller und Pätzold endlich so richtig auf. Genüsslich schlüpfen sie von einer Rolle in die andere, diskutieren im Bio-Supermarkt über Sellerie-Bountys und diverse
Zusatzstoffe, träumen gleichzeitig von Kaninchenfellwesten und Sportwagen und zeigen so die potenziellen Konflikte zwischen vermeintlich anständigem und aufregendem Leben. Herrlich auch, wie
Müller als Bazillus auf Jobsuche ist und sich bie einem Unternehmen vorstellt, dass Kohlendioxid mit Hilfe von Bakterien in Bio-Kunststoff umwandelt. Ja, das gibt es wirklich, die entsprechenden
Belege hat das Duo im Gepäck. Jetzt erst fügen sich die Erklär-Videos des Programms in eine ebenso sinnvolle wie unterhaltsame Dramaturgie ein, gehen Witz und Wissenschaft Hand in Hand. Auch der
Hamburger-Test, bei dem eine Dame aus dem Publikum den Unterschied zwischen einem klassischen Rindfleisch-Patty, einem aus Fleischersatz und einem auf Insektenbasis erkennen muss, ist kein
Störfaktor, obwohl eine souveränere Moderation den Unterhaltungswert noch einmal hätte steigern können. Die zweite Hälfte ist letztlich so, wie man sich die erste gewünscht hätte. Das Publikum
war denn auch überaus angetan von dem ebenso abwechslungsreichen wie informativen Programm und spendete großzügigen Beifall.
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