Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs Keulen wirbeln gleichzeitig durch die Luft, souverän von Anni Küpper in der Luft gehalten. Doch beim Varietéspektakel, das noch bis Ende August im Pantheon zu sehen ist, stellt diese Jonglage-Leistung nur den Anfang dar und nicht den Höhepunkt. Denn es geht nicht um Masse, sondern um Klasse. Also reduziert die geborene Godesbergerin nach und nach die Anzahl der Keulen, während sie gleichzeitig den Schwierigkeitsgrad erhöht und damit all jenen Artisten-Kollegen widerspricht, für die mehr automatisch besser ist.
Anni Küpper ist ohne Frage die zentrale Figur des Abends. Immer wieder taucht sie auf, still lächelnd auf der Suche nach neuen Ideen. Einmal vermischt sogar Jonglage und Illusionskunst, indem sie
die Keulen wie von Zauberhand auf ungewöhnlichen Bahnen durch den Raum fliegen lässt. Klasse. Und doch nur eine Art, die Vielfalt des Varietés auf die Bühne zu bringen. Denn während die
33-Jährige die Innovation repräsentiert, setzt Stephan Masur, der Initiator und Zeremonienmeister der Show, auf Tradition. Seine Seifenblasenkunst zeigt er so schon seit etwa 15 Jahren in genau
der selben Weise, und auch die absurde Chapeaugraphie, bei der er einen breiten Stoffring zu verschiedenen Formen verdreht und die über 100 Jahre alt ist, hat Masur schon lange im Programm. Was
er zeigt, ist altgediente Jahrmarktskunst, die neben modernem Varieté zu bestehen versucht. Durchaus mit Erfolg, wie der Applaus des Publikums zeigt.
Klar ist auch, dass es ohne Stephan Masur kein Varietéspektakel geben würde. Und ein Händchen für exzellente Künstler hat der Kölner zweifellos. Neben Anni Küpper hat er auch das Duo Darkness
verpflichtet, dessen beeindruckende Kraftakrobatik aus dem klassischen Varieté kaum wegzudenken ist. Außerdem ist Zauberkünstler Oliver Jelias mit von der Partie, der auf magische Weise Tassen
mit Wasser füllt, eine Kerze verschwinden lässt und Karten aus der Luft holt. Nicht alles davon ist innovativ, dafür aber überaus effektiv und verblüffend. Nur Comedian Armin Nagel wirkt mit
seiner Büro-Aerobic seltsam fehl am Platz – immerhin ist die Position des Moderators bereits besetzt, für eine urbane Intervention ist der Rahmen ungeeignet, und als reiner Komiker ist er zu
hektisch. Erst in der Zusammenarbeit mit Anni Küpper blüht er richtig auf und zeigt, was er wirklich kann.
Den größten Eindruck macht jedoch Chu Chuan-Ho: Der Taiwanese ist mit seinen Diabolos die personifizierte Energie, ein Duracell-Künstler mit atemberaubender Geschwindigkeit und einer
unglaublichen Technik. Mal katapultiert er bis zu drei Doppelkegel bis unter das Hallendach, dann wieder zeigt er kleine Schnurtricks, und mitunter lässt er die Diabolos sogar frei fliegen, nur
um sie im nächsten Moment wieder mit einer Art Peitschenschlag einzufangen. Das ist Varietékunst auf höchstem Niveau.
Kommentar schreiben