Satire darf ja bekanntlich (fast) alles. Diese Prämisse hat sich die Antilopen Gang offenbar seit ihrer Gründung vor nunmehr zwölf Jahren zu eigen gemacht, um mal zu provozieren, dann wieder zu irritieren und gerne auch Politik und Gesellschaft gehörig zu kritisieren. Jetzt war die Hip-Hop-Crew auf dem KunstRasen zu Gast und bewies vor etwa 700 Fans, dass Danger Dan (Daniel Pongratz), sein Bruder Panik Panzer (Tobias Pongratz) und Koljah Kolerikah (Kolja Podkowik) in all der Zeit vielleicht etwas leiser und gefälliger, keinesfalls aber undeutlicher geworden sind. Sie präsentierten Rap mit Haltung, kokettieren mit juristischen Grauzonen, nehmen kein Blatt vor den Mund und gewähren mitunter sogar einen Blick auf ihre Seelen. Eine Mischung, die beim Publikum gut ankam und mit einigen Höhepunkten aufwarten konnte – aber auch ein paar Missgriffen.
Natürlich standen die beiden neuen Alben der Antilopen Gang im Mittelpunkt, die während des Corona-Jahrs 2020 erschienen sind. Für „Abbruch, Abbruch“ hatte sich das Trio bewusst viel Zeit
gelassen (immerhin drei Jahre), während „Adrenochrom“ in Ermangelung von Live-Konzerten mehr oder weniger unvermittelt hinterhergeschossen wurde. Die unterschiedliche Reifezeit merkte man den
Stücken an: Der Ladendiebstahls-Song „Army Parka“ oder auch der Opener „Pepsi und Basmatireis“ waren sowohl inhaltlich als auch technisch höchstens Mittelmaß, während etwa „Wünsch dir nix“ oder
das emotionale „2013“, mit dem die Antilopen erstmals den Suizid ihres Freundes und Kollegen Jakob Wich alias NMZS musikalisch verarbeiten, wunderbar differenziert erschienen und mit weitaus mehr
Tiefgang aufwarteten als ein Großteil der sonst im Hip Hop erfolgreichen Titel. Gleiches galt übrigens auch für den „Enkeltrick“, eine posthume Veröffentlichung Wichs, nachdenklich und anklagend
zugleich. Ein bewegender Moment, zumal Danger Dan, der zuvor ein paar starke Solo-Nummern am E-Piano zum Besten gegeben hatte, auch hier noch einmal gefühlvoll in die Tasten griff.
Bekannt sind die Antilopen allerdings auch für ihre unverblümten Texte gegen alles, was ihnen so vor die Hörner läuft. Dann werden sie radikal, im Guten wie im Schlechten, wettern mit „Beate
Zschärpe hört U2“ gegen Stammtischparolen, Antisemitismus und Verschwörungstheorien oder dreschen mit dem „Lied gegen Kiffer“ verbal auf alle Cannabis-Konsumenten ein. „Im Konzertvertrag der Gang
ist eine rechtsbindende Klausel, dass Securities die Kiffer, die erwischt werden, verhauen“, rappten sie dazu auf dem KunstRasen – und die Menge jubelte. Dabei ist nicht jede „Antithese“, wie die
Antilopen ihren Ansatz gerne umschreiben, automatisch Satire, und schon gar keine gute. Schade, zumal Danger Dan und Co zu diesem Zeitpunkt bereits hinlänglich bewiesen hatten, dass sie es auch
besser können. Applaus gebührte dagegen der DJane Jenny Sharp, die nicht nur für die Beats im Hintergrund sorgte, sondern bei besagtem Kiffer-Lied auch ihre Breakdance-Künste eindrucksvoll unter
Beweis stellte. Insgesamt war das Konzert somit trotz mancher Schwächen ein Erlebnis, das vom Publikum denn auch entsprechend gefeiert wurde.
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