Der Himmel ist voller Schwalben. Angelockt durch den sich gerade verziehenden Regen jagen sie über den KunstRasen und stehlen Helge Schneider das Rampenlicht, zumindest für einen Augenblick. Der schaut selbst nach oben und beobachtet das bunte Treiben, doch da es sich eben um Vögel und nicht um Gastro-Personal handelt, bricht er das Konzert an diesem Abend nicht ab. Wäre auch schade gewesen. Immerhin hat der Meister des Absurden, der seit gut 30 Jahren mit seinem humoresken Unsinn mühelos auf der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn balanciert, gerade besonders gute Laune. Vielleicht weil er in Bonn ist, der Stadt Beethovens, dem Schneider einst ein großes Vorbild war, damals, als er noch Haydn hieß. Vielleicht auch, weil das euphorische Publikum diesmal nicht in Strandkörben sitzt, oder weil er diesmal besonders guten Pfefferminztee von seinem treuen Begleiter Bodo kredenzt bekommt. Was auch immer der Grund sein mag: Wenn Helge Schneider gute Laune hat, wird das Zwerchfell gefordert. Und der Gehörgang gepflegt.
Über Helge Schneiders Humor kann man durchaus streiten, über seine Liebe zu Nonsens-Geschichten, irren Assoziationsketten und abstrusen Abschweifungen, die wie aus dem Nichts kommen und gerade
deshalb zum Lachen reizen. Oder zum Stöhnen, wenn man diese Art der Komik nicht mag. Unstrittig dürfte dagegen Schneiders musikalisches Talent sein, das er auf dem KunstRasen einmal mehr von der
Leine lässt. Der 65-Jährige ist ein brillanter Jazzer, der sich in allen Spielarten zu Hause und mit jedem Instrument wohl fühlt. Klavier, Gitarre, Kontrabass, Vibraphon, Saxofon und Trompete
kommen in Bonn zum Einsatz, so dass seine beiden Begleitmusiker Sandro Giampetro (Gitarre) und Thomas Alkier (Schlagzeug) fast redundant wirken. Was sie aber nicht sind. Ganz im Gegenteil. Ohne
das souveräne Fundament der beiden, die wirklich jeden rhythmischen oder stilistischen Schwenk Schneiders mitmachen, hätte dieser nicht die Freiheit, die er bräuchte. Nur dank ihnen kann er
seinem Irrwitz freien Lauf lassen, kann dem Modetanz Letkiss und seiner älteren Schwester ein kleines Denkmal setzen, Richard Claydermann verwursten und Duke Ellingtons „Mood Indigo“ mit
skurrilen Bewegungen untermalen, ohne sich in dem Gewirr der Clownerie zu verlieren.
Auf diese Weise zieht Helge Schneider ein Lieblingslied nach dem anderen aus dem Hut – zumindest behauptet er, dass die gespielten Stücke zu seinen liebsten gehören, und wie gewohnt kann man ihm
nicht alles glauben. Wahr sein könnte die Aussage aber durchaus. Und wenn nicht für ihn, dann sicherlich für seine Fans. Immerhin erklingen unter anderem „Der Meisenmann“ (erweitert um das
Schicksal des Wurms Walter und eines knurrigen Adlers), „Samba in der Nacht“ sowie das unausweichliche „Katzeklo“, bei dem das gesamte Publikum mitsingt, und zwar wie gewünscht lauter und schöner
als in Bremen am Tag zuvor. Dazwischen sorgen auch mal ein Werbetext für eine ayurvedische Massagepraxis oder ein paar Tanzeinlagen Schneiders für Aufsehen, oder – bereits zu Beginn des
Konzerts – die Geschichte von der Erfindung des Pfefferminztees, bei der selbst der Meister auf einmal losprusten muss. So bestimmt Gelächter den Abend, bis sich die Schwalben zurückziehen und
auch Helge Schneider zum Ende kommt. Für's erste. Denn wiederkommen wird er bestimmt. Wenn ihn nicht ein Virus oder Strandkörbe davon abhalten.
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