Eigentlich ist Thees Uhlmann ganz entspannt. Gut, ein bisschen überdreht ist er, was allerdings nichts mit LSD sondern vielmehr mit dem Bühnenfieber zu tun hat; darüber hinaus ist der ehemalige Tomte-Frontmann auf dem KunstRasen locker und vor allem bestens gelaunt. Nur manchmal, da bricht der Punk in ihm hervor. Dann wird Uhlmann laut, regt sich auf, vor allem über Bonner Lärm-Motzkis, die sich in ihren Villen darüber echauffieren, dass angesichts des Schalldrucks ihre Usambara-Veilchen eingehen, und die deshalb mit Klagen drohen, um die Pop- und Rock-Kultur in die Schranken zu weisen. Doch das lässt ein Thees Uhlmann nicht mit sich machen – und er hat sowohl die Musik als auch die Worte, um das zu verdeutlichen.
Ohnehin weiß der 45-Jährige bestens Bescheid über die Kraft der Sprache. „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ oder „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach
Hip-Hop-Videodrehs nach Hause fährt“: Derart sperrige Titel baut Uhlmann mühelos in Song-Strukturen ein, ganz organisch, so als könnte an den entsprechenden Stellen gar keine andere Formulierung
kommen. Nein, Uhlmann ist sicherlich nicht der beste Sänger und auch nicht der beste Tänzer, wohl aber ein hervorragender Poet und charismatischer Geschichtenerzähler, der manchmal allen
Bemühungen zum Trotz die Welt nicht versteht – und in anderen Momenten alles durchblickt. In beiden Fällen hört man ihm gerne zu, lässt sich anstecken von dem energiegeladenen Indie-Rock und dem
Gesang eines Mannes, der sich einfach nicht unterkriegen lassen will, nicht von Junkies und Scientologen und erst recht nicht von den Toten auf dem Rücksitz.
Dabei ist Thees Uhlmann die Melancholie nicht fremd. So manches Mal trägt er seine Trauer vor sich her, Trauer um jene, die zu früh gegangen sind und an die man sich nur noch erinnern kann. Doch
egal wie dunkel seine Lieder auch werden, bleibt zumindest ein Rest Hoffnung zurück. „Gib mir Funken und Flammen, um zu brennen, gib meinen Lungen Luft, um zu rennen, es sind harte Zeiten, um
alleine zu stehen, doch harte Zeiten werden kommen und harte Zeiten werden gehen“, singt er in „17 Worte“. Eine wichtige Erkenntnis für einen Künstler, der sich fünf Jahre fast völlig
zurückgezogen hatte, bis er 2019 endlich alles verarbeitet hatte, was in ihm nagte und eine neue Platte herausbrachte. „Fünf Jahre nicht gesungen“ erzählt genau davon; auch das ist eine Form von
Trauer, aber unterlegt mit einem Riff, das ein bisschen an Foreigners „Cold as Ice“ erinnert und das deswegen ständig nach vorne prescht. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Thees Uhlmann
kein Verständnis für jene Bürger hat, die ihm den Mund verbieten wollen, und warum im Anschluss das hämmernde Requiem auf den DJ Avicii folgt, bei dem die Bässe besonders stark wummern und die
exzellente Band besonders nachdrücklich rockt.
Trotz oder vielleicht auch gerade wegen dieser inhaltlich dunklen Lieder wirkt Thees Uhlmann auf der Bühne gelöst und heiter. Er erzählt davon, wie er am Rhein Möwen scheuchte, warum er gerne
beim Konzert von Jan Delay dabei wäre, wieso auch schlechte Witze zu ihrem Recht kommen müssen und dass er das Slayer-Album „Reign in Blood“ ebenso sehr schätzt wie die Kunst von Martin
Kippenberger und die Verse von Benjamin von Stuckrad-Barre (der für Uhlmann tatsächlich den Text zu „Club 27“ geschrieben hat). Das Publikum, rund 700 Seelen, feiern ihn nicht zuletzt dafür, ihn,
den Rock-Poeten mit den ungewöhnlichen Bildern und den elementaren Botschaften. Und so gibt es für das nächste Konzert in Bonn nur einen Wunsch: Gerne noch mehr Musik. Denn Usambara-Veilchen gibt
es wie Sand am Meer. Aber es gibt nur einen Thees Uhlmann.
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