Johann Sebastian Bach konnte es. Ludwig van Beethoven auch. Und Richie Beirach. Der 74-Jährige ist wie die beiden großen Komponisten, die nur stellvertretend für viele Musiker ihrer Epochen stehen, ein Meister der Improvisation, ein Wirbelwind an den Tasten und vor allem ein leidenschaftlicher Brückenbauer zwischen Jazz und Klassik. Im Kammermusiksaal des Beethovenhauses setzte er nun anlässlich des Jazzfests dazu an, die Improvisation zurück in die klassische Musik zu bringen – und hatte mit dem herausragenden Sirius Quartet um Geiger Gregor Hübner, das ein ähnliches Ziel verfolgt, die perfekte Ergänzung gefunden.
Die Kooperation an sich, so berichtete Impresario Peter Materna stolz, sei schon ein Produkt des Jazzfests. Obwohl Beirach und Hübner schon lange zusammen spielen, sei es erst nach einem Auftritt
der beiden in Bonn zu einem Treffen zwischen dem legendären Pianisten und dem grenzüberschreitenden Quartett gekommen. Das Ergebnis konnte das Publikum nun erstmals live erleben: Ein mitunter
konsequent durcharrangiertes und dann wieder völlig freies Konzert, bei dem klassische Werke und die ein oder andere Eigenkomposition lediglich als Ausgangspunkte dienten. Natürlich verneigte
sich die Formation vor Bach und Beethoven, aber auch vor Béla Bártok, vor dem spanischen Minimalisten Frederic Momnpou, vor Aram Chatschaturjan – und vor John Coltrane, dessen „Transition“
Beirach und Hübner furios zusammenstauchten, ohne die musikalische Wucht des Stückes zu mindern.
Ohnehin gelang es den Musikern meisterhaft, die beiden scheinbar gegensätzlichen Spielarten von Klassik und Jazz zu vereinen. Herrlich, wie der Bach-Choral „Es ist genug“ auf einmal
herumgewirbelt wurde oder das „Andantino“ Chatschaturjans dank der Freiheiten des Jazz neue Facetten erhielt. Anstrengend waren lediglich drei Bagatellen Bártoks, die zunächst in eine
Kakophonie aus Dissonanzen und gegeneinander laufenden Phrasen übersetzt wurden, bis sie an einen Bienenschwarm erinnerten – nur um dann von einem starken Groove Beirachs eine klare Linie zu
erhalten, über der Hübner und vor allem sein Violin-Kollege Fung Chern Hwei grandiose Soli setzten.
Insgesamt zweimal spielten Richie Beirach und das Sirius Quintet (so wie auch die anderen Jazzfest-Künstler im August) an diesem vergangenen Freitag, was der Pandemie und der Rücksicht auf
Abstände geschuldet war. Doch angesichts der neuen Möglichkeiten durch die Corona-Schutzverordnung hat sich das Jazzfest kurzfristig entschieden, alle Planungen über den Haufen zu werfen und die
Dopplung mit Beginn des Septembers aufzuheben. Ab dem 2.9. findet nur noch ein Konzert pro Tag statt, das um 19 Uhr beginnt. Vor allem jene Besucher, die eigentlich erst um 21 Uhr zu den
verschiedenen Veranstaltungen gehen wollten, müssen sich somit neu orientieren.
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