Der Kapitalismus ist an allem schuld. Am Klimawandel, am Artensterben, an überteuerten Mieten und an den Lockdowns. Ja klar. Hätten die ganzen privat betriebenen Krankenhäuser nicht massive Einsparungen vornehmen müssen, wären die Intensivstationen wahrscheinlich besser auf die Flut an Corona-Patienten vorbereitet gewesen, dann hätte das Gesundheitssystem nicht kurz vor dem Kollaps gestanden und die Geschäfte hätten offen bleiben können, um den Konsum zu befriedigen. Wenn es nach Jürgen Becker geht, ist alles so einfach. Der Kölner Kabarettist, der sich zuletzt schon intensiv und zugleich überaus unterhaltsam mit der Kunst-, der Religions- und der Sexualgeschichte auseinandergesetzt hat, nimmt sich in seinem neuen Programm „Die Ursache liegt in der Zukunft“ nun die Wirtschaft zur Brust. Große Erkenntnisse hat er allerdings nicht zu bieten. Dafür aber viele altbackene Pointen.
Leider war es absehbar, dass sich selbst ein neugieriger Geist wie Jürgen Becker trotz all seiner Erfahrung mit ökonomischen Themen schwer tun würde. Abgesehen von Quantenphysik gibt es
wahrscheinlich keine komplexeren Systeme als die der globalen Marktwirtschaft, und demnach erfordern sie viele Erklärungen. Die aber sind selten lustig, was auch der Grund ist, dass heutzutage
kaum noch jemand Wirtschaftskabarett macht, sondern lieber der Gesellschaft dabei zuschaut, wie sie an der immer unverständlicher werdenden Welt scheitert. Auch Becker, der in seinen früheren
Programmen immer überaus souverän wirkte, kann lediglich den Kapitalismus anprangern, ihn aber nicht durchdringen. Schlimmer noch, er wird ungenau. Die 20.000 Todesfälle, die durch
Krankenhauskeime ausgelöst werden, rechnet er lieber mangelnder Hygiene als den Multiresistenzen zu, mit denen sich Bakterien angesichts allzu leichtfertig verabreichter Antibiotika ausgestattet
haben, und die steigenden Mieten in den Städten sind seiner Meinung nach das Resultat der Gentrifizierung und nicht von schlechten Löhnen für die so genannten bildungsfernen Schichten.
Eine Schwäche Beckers ist zudem, dass er in einem Programm, das die Zukunft im Titel trägt, erstaunlich oft der Vergangenheit hinterherweint. „Wenn ich früher...“, so fängt er manchen Satz an.
Ja, manches war früher besser, und anderes wird morgen noch schlechter werden. Aber wer strukturelle Probleme benennen und Gier und Geiz anprangern will, der sollte nicht zurückblicken, so
vertraut diese Zeit auch ist, sondern nach vorne ins Ungewisse. Das können wir nämlich noch beeinflussen. Und sei es durch ein herzhaftes Lachen.
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