Experimente, so lautet der Titel einer der Reihen, die im Rahmen des Beethovenfests derzeit im Post-Tower stattfinden. Und ein Experiment ist das Jazz-Konzert von Re:Calamari durchaus, vor allem für das Publikum. Mindestens die Hälfte hebt auf jeden Fall die Hand, als Bassist und Bandgründer Oliver Lutz fragt, wer keine Ahnung hat, was an diesem Abend passieren wird – und zumindest ein Teil verlässt die Konzernzentrale in der Pause. Kein Wunder angesichts der überaus eigenwilligen Kombination von Post-Bop und Fusion, die das prominent besetzte Quartett entstehen lässt, ohne sich allzu sehr mit Kleinigkeiten wie einer durchgehenden Melodielinie aufzuhalten. Doch wer genauer hinhört, findet unter den wild durcheinander jagenden Klanggebilden auch Schönes. Wenn man es denn will.
Auf den ersten Blick ist die Suche nach dem Wohlklang allerdings schwierig. Sowohl Pablo Held, immerhin einer der erfolgreichsten Pianisten des Modern Jazz, als auch der preisgekrönte Saxofonist
Wanja Slavin durchbrechen konsequent dieses Konzept, ecken an, probieren aus und forschen nach neuen Wegen, um sich auszudrücken. Mit traditionellem Jazz hat das in etwa genau so viel zu tun wie
die Musik Arnold Schönbergs mit der von Beethoven. Doch im Gegensatz zu manchen anderen Jazz-Projekten, die sich der konsequenten Dekonstruktion verschrieben haben, bauen „Re: Calamari“ durchaus
auf früheren Vorbildern auf. Insbesondere der Sound von Weather Report schwingt beim Spiel des Quartetts kontinuierlich mit, aber auch die Liebe zum Rock ist vor allem durch den pulsierenden
Drive des Notwist-Drummers Andi Haberl allgegenwärtig.
Ohnehin ist Haberls brillantes Spiel eine der größten Stärken des Abends. Der 38-Jährige trommelt sich in seine eigene Welt, feuert aus allen Rohren und ist doch stets präsent, um zusammen mit
Oliver Lutz die ausbrechende Musik wieder einzufangen, bevor sie zu weit abdriftet. Dafür ist vor allem Wanja Slavin verantwortlich, der sowohl mit seinem Saxofon als auch mit einem Synthesizer
ein ums andere Mal losprescht, um die Grenzen von Harmonie und Melodie auszuloten – dagegen wirkt Pablo Held regelrecht brav, mitunter sogar ein wenig gelangweilt, was eigentlich überhaupt nicht
zu dem von ihm gepflegten Stil passt. Das Publikum – zumindest der Teil, der nach der Pause wieder im Saal Platz nimmt – ist auf jeden Fall begeistert und bejubelt die anstrengenden, aber auch
anregenden Streifzüge der Vier. Insofern ist das Experiment ein Erfolg. Immerhin.
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