Das Konzept des Jazzfests Bonn sieht unter anderem vor, aufstrebende Künstler nach Möglichkeit mit etablierten Stars in Doppelkonzerten zusammenzubringen, so dass der eine vom anderen profitieren kann. Eine schöne Idee, wenn sie denn aufgeht – und eine noch schönere, wenn sich zeigt, dass sie eigentlich überholt ist. In der Bonner Oper trafen jetzt nämlich das Simon Oslender Trio auf Till Brönner und seine Band, und auch wenn letzterer weltweit zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Jazz-Musikern gehört, ist ersterer trotz seiner 23 Jahre doch längst so erfahren und brillant, dass er sich zwar über die prominente Schützenhilfe freuen kann, sie aber eigentlich nicht nötig hat. Dafür ist er einfach zu gut. Umso besser für den Abend, der so zu einem Höhepunkt des bislang überaus starken Festivals wurde.
Bedauerlich ist allerdings, dass nur wenige Bonnerinnen und Bonner die seltene wenn auch sehr kurzfristige Chance genutzt und noch Karten gekauft haben, die durch den Wegfall vieler Corona-Regeln
verfügbar waren. Im Saal waren auf jeden Fall etliche Plätze frei. Dabei hätten sowohl Simon Oslender als auch Till Brönner ein ausverkauftes Haus mehr als verdient, zumal beide ein angenehmes,
stringentes und zugleich spannendes und vielseitiges Programm in petto hatten. Vor allem Pianist Oslender nutzte die Stunde, die ihm gewährt wurde, um seine ganze Bandbreite zu zeigen – und um
mit seinen Trio-Kollegen Claus Fischer (Bass) und Hendrick Smock (Schlagzeug) einfach Spaß zu haben. Traumhaft war schon der zunächst butterweiche Opener, der irgendwann explodiert und dennoch
dank eines meisterhaften Gespürs für das richtige Timing und des perfekten Zusammenspiels der drei Musiker nie aus der Bahn gerissen wird. Ohnehin gehörte die Einheit des Trios zu dessen größten
Leistungen: Oslender und Co verstanden sich blind, spürten die Musik auf die selbe Weise und reagierten mühelos auf die Einfälle der anderen. Bei „Don't ever look back“ spielten sie mit den
Pausen, bei dem George Duke gewidmeten „One for GD“ mit exquisiten Soli, die vor allem bei Oslender eine atemberaubende Leichtigkeit versprühten. Kein Wunder, dass er längst festes Mitglied der
Bands von Wolfgang Haffner und Bill Evans ist.
Über Till Brönner muss man derweil nicht mehr viel sagen. Seit 30 Jahren ist der Trompeter, der in Bad Godesberg aufwuchs, ein Garant für einen herausragenden, einzigartigen Sound, mit dem er
einfach alles spielen und veredeln kann. So auch bei seinem Konzert in der Oper, für das Brönner sechs seiner „ziemlich besten Freunde“ mitbrachte. Es war ein Heimspiel, klar, auch wenn der
50-Jährige betonte, dass es sich für ihn wie die Rückkehr zu einer Verflossenen anfühle, von der man sich eigentlich längst getrennt hat und bei der man sich doch immer noch zu Hause fühlt. Im
Mittelpunkt des Auftritts standen Stücke, die er mit dem Pianisten Bob James aufgenommen hat, gefühlvolle Kompositionen wie „Lavender Fields“, das durch das große Band-Arrangement an Tiefe
gewann, oder die herrlich zarte Gilbert-Becault-Ballade „September Morn“. Dazwischen wendete Brönner sich aber auch mal dem brasilianischen Gitarristen Toninho Horta zu, machte einen Ausflug in
Richtung Funk und Blues und ließ vor allem im Dialog mit Saxofonist Mark Wyand seinen strahlenden Klang zur Geltung kommen. Das beeindruckendste Stück des Abends war allerdings das
hymnisch-hypnotische „Europa“, ein klares Bekenntnis zu einer Vision, die die Band mit allerlei Zitaten, Synthi-Klängen, pulsierenden Trommel-Schlägen und gewohnt starken Soli ausfüllte. Ein
Gänsehaut-Moment, dem sich keiner im Publikum entziehen konnte. Oder wollte. Nicht bei diesem Konzert, nicht bei diesen Musikern. Nicht bei Till Brönner.
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